Rundown? Roundup?

Scientology und Monsanto, die amerikanische Offensive in Vietnam

Margrit Schlosser

Als ich zum ersten Mal in Vietnam war, wurden wir zu einem Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige geführt, das in einem Außenbezirk von Ho Chi Minh-Stadt lag. Dort erhielten die Drogensüchtigen eine Behandlung, die körperliche Übungen, Massage und traditionelle Medizin umfasste. Es war, was man in Deutsch als „kalter Entzug“ bezeichnet, und es muss sehr hart und schmerzhaft für die Insassen gewesen sein.

Ich erinnerte mich an diesen Besuch, als ich An Diens Artikel „Willkommen durch die Hintertür“ las. In der Tat scheint das Entgiftungsprogramm für die Opfer von Agent Orange mit Namen „Reinigungs-Rundown“ ähnliche Methoden anzuwenden, vor allem körperliche Ertüchtigung und Sauna. Das könnte man – wenn man von den verabreichten Vita­minen absieht – als ein „traditionelles“ Programm bezeichnen.

In ihrem Bemühen, den Agent Orange-Opfern Erleichterung und Hilfe zukommen zu lassen, hat die VAVA die Methode begrüßt. Und offenbar sind ihr zuständige vietnamesische Behörden dabei gefolgt. Der „Reinigungs-Rundown“, auch als „Hubbard-Methode“ (nach dem Gründer der „Scientology-Kirche“) bekannt, wird also derzeit in einem Militärkrankenhaus in Hanoi angewendet.

Einige der Ausländer, die hier in Vietnam leben, die vielleicht ein wenig mehr wissen über die Kontroversen um die so genannte „Church of Scientology“ in ihren eigenen Ländern, sind verblüfft angesichts der Tatsache, dass dieser religiösen Sekte möglich gemacht wurde, sozusagen durch die Hintertür ins Land einzudringen.

Und eigentlich war diese Verblüffung ähnlich derjenigen, die wir empfanden, als wir erfuhren, dass Monsanto in Vietnam ein Büro eröffnet hat und hier Geschäfte macht – das bringt mich dazu, diese Verzweigungen von Scientology und Monsanto in Beziehung miteinander zu sehen.

Die eine verspricht, das Leiden der schätzungsweise 3 Millionen Menschen zu lindern, die von Agent Orange / Dioxin in Vietnam betroffen sind – und zwar mit Jogging, Sauna und der Verabreichung von Vitaminen. Die andere, teilweise verantwortlich für die Leiden dieser Opfer, verspricht, den 90 Millionen Vietnamesen dabei zu helfen, sich zu ernähren – mit genetisch manipuliertem Saatgut.

Animata Traoré, eine Kämpferin für weltweite soziale Gerechtigkeit aus Mali, sagte einmal: „Der Fisch sollte nicht daran glauben, dass der Fischer sein Bestes will.“ Mit anderen Worten: Institutionen und Firmen wie die beiden erwähnten sind dabei „uns einen Köder hinzuwerfen“, aber wir müssen damit rechnen, dass sie dabei andere Absichten haben.

Während es immer noch nicht ganz klar ist, warum Scientology nach Vietnam hereindrängt, sind die Motive von Monsanto, dem weltgrößten Agrarkonzern, völlig klar. Er will Geld machen. Die Strategie ist dieselbe: edle Versprechungen, das Wecken von Hoffnung und Glauben, und das alles zunächst kostenlos. Wenn dann erst der Fisch am Angelhaken hängt, dann gibt es kein Entrinnen mehr.

In vielen Ländern benutzen die Scientologen die „Reinigungs-Rundown“-Methode als eine Art Mitgliederwerbung für ihre „Kirche“ und als ein geistiges Programm. Wer der Kirche beitritt, wird dazu gezwungen, dafür viel Geld zu bezahlen. Im Februar 2012 hat „ein französisches Berufungsgericht die Verurteilung wegen Betrugs und eine Strafe von 600.000 Euro gegen die französische Scientology-Kirche bestätigt, weil sie neuen Mitgliedern riesige Summen Geldes für unseriöse sogenannte Persönlichkeitstests und Behandlungen abverlangt hat“.1

„Roundup“ im anderen Fall ist ein Unkrautkiller, von Monsanto entwickelt auf der Basis eines Gifts, das als Glyphosat bekannt ist. Verschiedene Saat-Sorten, die von Monsanto vermarktet werden, wie etwa die Roundup Ready©Sojabohne oder der Roundup Ready©Mais wurden genetisch so verändert, dass sie Glyphosat-resistent sind. Das heißt, wer Unkraut mit Glyphosat bekämpfen will, muß Roundup-Saatgut verwenden und umgekehrt.

Dazu muss angemerkt werden, dass manche Länder wie zum Beispiel Dänemark seit langem ein komplettes Sprühverbot von Glyphosat erlassen haben, nachdem Untersuchungen ergeben haben, dass damit das Grundwasser vergiftet worden war.2

Die Einführung einer pseudo-medizinischen Behandlungsmethode wie „Reinigungs-Rundown“ durch die Scientologen, die Wissenschaftler als Betrug einstufen, ist nicht nur eine Beleidigung für die Opfer, es ist auch ein Missbrauch der Arbeit derjenigen, die ihnen Erleichterung und Hilfe verschaffen wollen.

Dasselbe kann man von Monsantos Präsenz in Vietnam und seinen Versprechungen sagen, Lösungen anzubieten für Probleme der Lebensmittelsicherung vor dem Hintergrund von, sagen wir einmal, Klimaveränderungen. Ungeachtet der Gefahren für die Umwelt, die Gesundheit der Bevölkerung und die Nahrungssouveränität des Landes sind die eigentlichen Opfer letztlich die Kleinbauern, die dazu gezwungen werden sollen, saftige Preise für das Saatgut zu bezahlen, das sie von der Firma beziehen müssen.

Vietnam, pass auf!

Anmerkungen:
1 Vgl. www.theprovince.com/news/Church+Scien­tology+charged+criminal+organization+Belgium/7754614/story.html#ixzz2QUdn31T1.
2 Vgl. http://organic.com.au/news/dk/2003.09.15/

Quelle Vietweek 19.04.2013, Übersetzung Günter Giesenfeld

veröffentlicht im Vietnam Kurier 1/2013

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