Wahlen in Kambodscha
Der Westen wählte mit

Günter Giesenfeld

Immerhin gab es in unserer Presse eine relativ ausführliche Berichterstattung zu den Wahlen in Kambodscha, die am 28. Juli 2013 stattfanden. Aber sie galt vor allem einem Kandidaten, der erst Tage vor der Wahl überhaupt ins Land zurückkehrte, dem aber die Sympathie zumindest der deutschen Berichterstatter und Kommentatoren sicher war.

Diese Berichterstattung bewegte sich im Vorfeld, bei den Berichten über die Wahl selbst und auch noch danach in einem ganz engen Argumentationsraster: Die Rückkehr des Kandidaten Sam Rainsy schien der einzige Grund zu sein, über die Wahlen überhaupt so ausführlich zu berichten. Den westlichen Lesern wurde eine Situation beschrieben, die eher alten antikommunistischen Klischees entsprang: Es gebe in Phnom Penh eine „autoritäre“ Regierung, die durch dreiste Machenschaften vor und bei den Wahlen dafür sorgen würde, dass sie im Amt bleibt.1 Dann kam am 16. Juli, also 12 Tage vor der Wahl, Sam Rainsy nach Kambodscha zurück, der Hoffnungsträger der Opposition, der prompt schon vor der Wahl vor zu erwartenden Unregelmäßigkeiten beim Wahlakt warnte! Die westlichen Leser waren vorbereitet: Hun Sen wird siegen, aber es wird nicht mit rechten Dingen zugehen! In dieser Weise wurde dann auch berichtet: Hun Sen gewann die Wahl, aber Sam Rainsy hätte sie gewinnen müssen.

Wie war es wirklich?

Zunächst: die Rückkehr Sam Rainsys. Dieser war 2009 wieder einmal ins Ausland geflüchtet, um der Vollstreckung eines Gerichtsurteils gegen ihn zu entkommen. In unseren Medien wurde dieses Urteil ohne Angabe von Details als ein „politisches“ qualifiziert, also ein ungerechtes. Es war aber längst bekannt, wessen sich Sam Rainsy schuldig gemacht hatte: Seine Partei2 hatte stets gegen Vietnams militärisches Eingreifen in Kambodscha polemisiert und in dieser Sache die Positionen der Roten Khmer vertreten. Mit seiner Vorliebe für spektakuläre Aktionen war er an die kambodschanisch-vietnamesische Grenze im Osten gereist und hatte dort vor der herbeigerufenen Presse Grenzsteine ausgerissen, einige Meter weiter, in vietnamesisches Territorium geschleppt und dort wieder eingegraben. Er wollte damit gegen die Einigung über den Grenzverlauf zwischen beiden Ländern, die in jahrelangen zähen Verhandlungen kurz zuvor erzielt worden war, protestieren, weil er der Meinung war und ist, Vietnam habe kambodschanisches Gebiet annektiert. Diese Grenze war seit der Regierungszeit Sihanouks und während des Pol Pot-Regimes nicht eindeutig markiert gewesen, was das Pol Pot-Regime zu Übergriffen ausnutzte. Nach dessen Vertreibung war es eine der wichtigsten Aufgaben beider Länder gewesen (das gilt auch für Laos), endlich einen von beiden Seiten anerkannten Grenzverlauf durch offizielle Grenzmarkierungen festzulegen, was auch geschah.

Die Propaganda gegen Vietnam ist in Kambodscha nicht verboten, das „Verletzen“ der Grenze durch Beschädigen und Umsetzen von der Grenzmarkierungen ist aber eine Straftat.

Normalerweise hätte also Sam Rainsy bei der Rückkehr aufgrund dieses Urteils verhaftet werden müssen. Wie wir von der westlichen Presse erfuhren, wurde er durch den kambodschanischen König auf Bitten Hun Sens „begnadigt“ und durfte zurückkehren, aber nicht zu den Wahlen kandidieren. Es wurde allgemein vermutet, dass Hun Sen zu der Erkenntnis gekommen sei, Sam Rainsy sei in Kambodscha ein weniger gefährlicher Rivale als im Exil. Andere vermuten demgegenüber, Hun Sen sei von den USA unter äußersten Druck gesetzt worden, ihn zurückkehren zu lassen: Es sollte Kambodscha sonst die gesamte US-Entwicklungshilfe entzogen werden. Diese Vermutung wurde nur von einer westlichen Zeitung3 geäußert und macht im Prinzip Sinn, denn Sam Rainsy war in früheren Wahlen stets der Kandidat der USA gewesen.

Die „Wahlfälschung“

Nach den Wahlen erhob Sam Rainsy weiterhin massive Vorwürfe gegen die Partei Hun Sens (CPP). Sie habe die Wählerlisten manipuliert, Verstorbene abstimmen lassen, oppositionelle Wähler unter Druck gesetzt oder deren Stimmen verschwinden lassen usw.

Wahrscheinlich weil er solche Vorwürfe kannte und voraussah, hatte Hun Sen ein umfangreiches Kontrollsystem des Wahlvorgangs organisiert. Es wurde ein Nationales Wahlkomitee (NEC) eingerichtet, das sowohl im Wahlkampf als auch bei den Wahlen und ihrer Auswertung als Schiedsgericht bei Beschwerden fingieren sowie Freiwillige rekrutieren sollte, als Wahlhelfer und Wahlbeobachter den Wahlgang zu überwachen. Sam Rainsy hat es abgelehnt, Vertreter seiner Partei in dieses Gremium zu schicken. Es wurden insgesamt über 40.000 Freiwillige und Beauftragte zur Wahlbeobachtung ausgewählt und eingesetzt. Darunter 243 internationale Beobachter aus 29 Ländern. Die kambodschanischen Beobachter kamen ausschließlich aus Nichtregierungs-Organisationen, die internationalen aus den Ländern des ASEAN-Paktes sowie aus Russland, Neuseeland, Indien, den USA und Großbritannien.

Nach Berichten der kambodschanischen und vietnamesischen Presse4 gab es im Wahlkampf etwa 150 Klagen, in denen Parteien sich gegenseitig beschuldigten, den Wahlkampf behindert zu haben. Es ging meistens um Zerstörungen von Parteischildern, Fahnen oder Plakaten, aber auch Störungen von Kundgebungen und Drohungen von Gewalt. Die meisten von ihnen hätten ad hoc vom NEC geklärt werden können, so Tep Nytha, Generalsekretär des NEC. Während der Wahl selbst habe es kaum Vorfälle gegeben. „Das Komitee wird sie alle prüfen, und diejenigen, die nicht sofort geklärt werden könnten, werden wir, wenn nötig, einer gerichtlichen Untersuchung zuführen.“

Nach den Wahlen berichteten die ausländischen Wahlbeobachter, der Wahlgang sei „alles in allem friedlich, gewaltlos und ruhig verlaufen“, so Jose de Venecia, Regierungssprecher aus den Philippinen. Er war der Leiter der Gruppe, die von der „Internationalen Konferenz asiatischer politischer Parteien“ (ICAPP) und der „Internationalen pazifischen zentristischen Parteien“ (CAPDI) entsandt worden war. Auch die anderen ausländischen Beobachter berichteten, „außer einem Vorfall in einem Büro des kommunalen Wahlkomitees im Distrikt Menachey (Phnom Penh)“ seien die Wahlen reibungslos verlaufen.

Sam Rainsy blieb bei seinen Vorwürfen, es habe massive Unregelmäßigkeiten gegeben. Das NEC schlug daraufhin vor, eine spezielle Kommission zu gründen, die diesen Vorwürfen konkret nachgehen sollte. Sam Rainsy weigerte sich, dabei mitzuarbeiten und verlangte eine internationale Kontrolle unter der Führung der UNO.

Nach dem Wahlsieg hatte allerdings UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Glückwunschtelegramm an Hun Sen geschickt. Ebenso mehrere Regierungschefs von ASEAN-Staaten.

Abb.: Sam Rainsy-Anhänger attackiert Polizeiauto - vor den Wahlen (Bild VNS)

Die Ergebnisse

Die 19.000 Wahllokale schlossen am 28. Juli um 15 Uhr. Da waren ca. 80 % der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen. Nach dem am 2. August veröffentlichten vorläufigen Endergebnis erhielt die CPP 3.278.729 Stimmen, die „Rettungspartei“ von Sam Rainsy 2.941.133 Stimmen. Der Rest ging auf viele kleinere Parteien, darunter die ehemalige royalistische FUNCINPEC, die alle nicht im Parlament vertreten sein werden. Die Sitzverteilung in der Nationalversammlung wäre demnach, ungeachtet noch laufender Einspruchsverfahren, wie folgt: 69 Sitze für die CPP, 55 Sitze für Sam Rainsy.5

Über die Gründe für diesen Ausgang gibt es verschiedene glaubwürdige Aussagen in der Presse. Einmal sei die CPP vor allem auf dem Land gewählt worden, während die kritische Beurteilung des politischen Systems in Kambodscha vor allem von Städtern und Intellektuellen geteilt werde. Aber auch die Verdienste der verschiedenen Regierungen unter Hun Sen (und vor ihm Heng Samrin) haben sicher eine Rolle gespielt. Sie hätten dafür gesorgt, dass in Kambodscha seit Jahrzehnten politische Stabilität herrsche, dass sich im Land der Lebensstandard verbessert habe, die Infrastruktur ausgebaut worden sei (Straßen, Brücken): dass es mehr Autos, mehr Stadtentwicklung, mehr Industrie gebe. „Vom wirtschaftlichen Wachstum hat ein Teil der Bevölkerung profitiert“.6

Außerdem gelten Hun Sen und seine Partei, vor allem in der ländlichen Bevölkerung, immer noch als die Befreier vom Pol Pot-Regime. Sam Rainsy konnte im Wahlkampf nicht auf eigene Verdienste hinweisen, musste deshalb Versprechungen machen. Diese betrafen zum Teil Reformen, die vor allem zur Abschaffung des gegenwärtigen Regimes führen sollten, aber als soziale Forderungen formuliert wurden: Erhöhung der öffentlichen Gehälter, Rente mit 65, Senkung des Benzinpreises, kostenfreie Gesundheitsversorgung für die Armen und – vor allem: Beseitigung der Korruption. Sam Rainsy trat vor allem als „Inkarnation des Willens auf, ein System, das der Korruption und des Nepotismus beschuldigt wird, zu beseitigen“7.

Beigetragen zu seinem überraschend guten Wahlergebnis hat auch die Tatsache, dass die städtische Jugend kaum noch Erinnerungen an die Pol Pot-Zeit hat und deshalb der Nimbus des Befreiers bei ihr nicht zieht. Es muss aber auch erwähnt werden, dass im Wahlkampf Sam Rainsys erneut dessen zentrale politische Position deutlich wurde, und man weiß nicht, inwiefern auch dies zu seinem Erfolg beigetragen hat: „Sam Rainsy hat niemals gezögert, die antivietnamesische Karte zu ziehen.“8 Er behauptet, Vietnam betreibe immer noch eine heimliche Immigration von Vietnamesen nach Kambodscha, die „privilegierten Beziehungen“ zwischen den beiden Ländern seien Folge einer „hegemonialen Tendenz“ der vietnamesischen Regierung – all das ist nicht nur gefährlich für die in Kambodscha lebende vietnamesische Minderheit (700.000) und könnte unter Pol Pot verordnete Ressentiments gegen diese Minderheit wieder aufleben lassen. Solche Äußerungen laufen auf eine Umkehrung der offiziellen Außen- und Friedenspolitik hinaus. Insofern „spielt Sam Rainsy mit der rassistischen Propaganda gegen die Vietnamesen ein gefährliches Spiel“9, weil damit versucht wird, Positionen der Roten Khmer wieder salonfähig zu machen und Zwietracht in der Region zu säen.

Aufrufe zur Einheit

Gleich nach der Wahl hat die CPP eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine Zusammenarbeit mit der Opposition vorbereiten sollte. In seiner ersten öffentlichen Versammlung nach den Wahlen sagte Hun Sen, es komme nicht so sehr darauf an, wer gewonnen und wer verloren habe, solange das Land dadurch nicht gespalten würde. Die Arbeitsgruppe solle „mit der Opposition laufend die wichtigsten aktuellen Probleme und Beschlüsse beraten“. Die Partei Sam Rainsys will jedoch nach wie vor das Ergebnis der Wahlen nicht anerkennen und droht offen mit „Massendemonstrationen im ganzen Land“, und zwar solange, bis das Ergebnis korrigiert sei.10

Daraufhin beorderte Hun Sen Soldaten in die Hauptstadt, die „gewalttätige Proteste gegen die Regierungsbildung verhindern sollen“. Nach den Worten des Armeesprechers Khen Tito gehe es nicht darum, „Bürger einzuschüchtern. Wir unterbinden keine friedlichen Demonstrationen, aber wenn die Proteste in Gewalt umschlagen, wird das Militär einschreiten.“11

Der Aufruf des NEC hatte vorgeschlagen, beide Parteien sollten in der neu gegründeten Arbeitsgruppe zusammenarbeiten, um alle tatsächlichen oder angeblichen Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Bei einem Treffen von Vertretern beider Parteien gab es einen einstimmigen Beschluss, dieses Gremium ins Leben zu rufen. Aber nur wenige Stunden später erklärte Sam Rainsy öffentlich, dass seine Partei nicht in der Arbeitsgruppe mitarbeiten werde. Das NEC bekräftigte daraufhin seine Position, dass noch verbleibende Streitigkeiten in gemeinsamer Anstrengung geschlichtet werden sollten. Um die Wogen zu glätten, wurde die Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses der Wahlen verschoben.12

Zuvor hatte der kambodschanische König Norodom Sihamoni die beiden Parteien zum Dialog aufgerufen. „Ich appelliere an die beiden Parteien, ihre Gespräche fortzusetzen und bei allen Differenzen Lösungen zu finden zum Wohl des Landes und seiner Bürger sowie für Frieden und Stabilität.“13

Diese Aufrufe zur Einigkeit haben in Kambodscha, in ganz Südostasien einen historisch-traditionellen Kontext. Der politischen Kultur dieser Länder liegt das Prinzip der Einheit und Einigkeit zugrunde, was sich im System der Einparteienregierung ausdrückt. Man verwehrt sich dort gegen den Vorwurf, das sei undemokratisch mit dem Argument, dass Demokratie und Mehrparteiensystem einander nicht bedingen.

Sam RainsySam Rainsy (Bild: Le Monde)

Auch in Vietnam und Laos war das Streben nach Einheit (nicht identisch mit dem Streben nach einer Partei) im Kampf gegen die äußere Aggression, und dann beim diplomatischen Ringen um eine Nachkriegsordnung für die Region (z. B. in Genf und Paris) ein durchgehendes Ziel gewesen. Die USA haben solche Bestrebungen stets zu unterbinden versucht, was sich am besten am Beispiel von Laos zeigen lässt. Dort waren nämlich die Repräsentanten der beiden politischen Alternativen (Befreiungskampf vs. Orientierung zum Westen) zwei Prinzen, die sogar Halbbrüder waren: Souvannah Phouma (immer wieder von den USA unterstützt) und Souphanouvong (der Führer der Befreiungsbewegung Pathet Lao). Es wurde mehrfach hintereinander dasselbe Szenario gespielt: Die beiden verständigten sich auf eine Regierung der Nationalen Einheit, worauf die USA dies verhinderten, sei es durch erneute militärische Angriffe, sei es durch die Unterstützung von rechtsradikalen Politikern in Vientiane14.

Beobachter der gegenwärtigen Situation sollten berücksichtigen, dass es sich bei den Aufrufen zur Einheit nicht um die Forderung nach der Bildung einer Koalition handelt. Denn das politische System in Kambodscha ist von zwei Elementen geprägt: dem traditionellen Prinzip der Nationalen Einheit und dem Konkurrenzprinzip westlicher Demokratieformen. Letzteres wird derzeit (wieder) von Sam Rainsy aggressiv als Kampf gegen den politischen Gegner praktiziert, während Hun Sen sich auf die traditionelle Suche nach Einheit beruft. In früheren Zeiten hat Prinz Sihanouk als König und als Premierminister zuweilen sehr geschickt die beiden Prinzipien gegeneinander ausgespielt oder genutzt.

Schatten der Vergangenheit

Bei den ersten kambodschanischen Wahlen im Mai 1993, nach der Befreiung vom Pol Pot-Regime, die wegen der andauernden militärischen Angriffe der Roten Khmer unter quasi-Kriegsbedingungen stattfanden und von der UNO organisiert wurden, war den USA daran gelegen, in Kambodscha ein Mehrparteiensystem, zumindest aber eine starke Opposition zu installieren. Ihr Kandidat war Prinz Ranariddh, ein Sohn des Königs Sihanouk. Dieser gewann auch die Wahlen knapp, aber anstatt im Parlament den erwarteten Kampf zwischen Regierung und Opposition zu führen, bildeten die beiden politischen Parteien DPP und FUNCINPEC15 eine gemeinsame Regierung mit zwei Ministerpräsidenten, je zwei Ministern in den Schlüssel-Ressorts und einer doppelten Verwaltung auf Provinzebene.

So entstand eine stabile und funktionierende Regierung. Bei den nächsten Wahlen 1998 war das Ergebnis umgekehrt: Es gab eine Mehrheit für Hun Sen und Ranariddh wurde Juniorpartner. Trotzdem wurde das Bündnis weitergeführt. Sam Rainsy war Mitglied der FUNCINPEC und von ihr gestellter Finanzminister. Sein Parteichef Ranariddh entließ ihn wegen Korruption, und Sam Rainsy gründete daraufhin seine eigene Partei.16

Sam Rainsy ist heute 64 Jahre alt und besitzt die französische Staatsbürgerschaft. Sein Vater Sam Sary war ebenfalls Politiker gewesen und hatte eine makabre Rolle bei den Genfer Verhandlungen 1954 gespielt.17 Die Familie stand dem König Sihanouk nahe, in dessen Regierung als Ministerpräsident18 Sam Rainsy später kurze Zeit Minister war. Er hatte ab 1965 in Frankreich studiert und dort als Banker gearbeitet. Von dort kehrte 1993 er nach der Vertreibung des Pol Pot-Regimes zurück und machte Karriere in der FUNCINPEC.

Bei beiden Wahlen 1998 und 2003 hatte Sam Rainsy die Regierungspartei der illegalen Beeinflussung beschuldigt, obwohl die UNO eigene Beobachter entsandt und die Wahlen als fair beurteilt hatte. Verschiedene Einigungsversuche, nicht zuletzt durch den König Sihanouk selbst, scheiterten: Sam Rainsy wollte gegen alle Evidenz des Wahlergebnisses die Absetzung von Hun Sen erreichen und boykottierte mit seinen Leuten deshalb die konstituierende Sitzung der Nationalversammlung, so dass Kambodscha mehr als ein Jahr lang ohne neue Regierung war.

Die irrationale Verbissenheit Sam Rainsys, einen angesichts der Kräfteverhältnisse demokratisch nicht legitimierten und zudem aussichtslosen Kampf zu führen, hat damals viele Beobachter irritiert und es kamen Vermutungen auf, dass hinter diesem Verhalten eine Einflussnahme der USA stecken könnte.19

Bei dieser Vermutung spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass Sam Rainsy offen Positionen der Roten Khmer vertrat, die sich damals in einer Art Bürgerkrieg gegen die Regierung befanden, bei dem sie auf die direkte Unterstützung durch Thailand und die indirekte Duldung durch die USA rechnen konnten. 2005 verließ er das Land wieder und ging zunächst in die USA und dann nach Frankreich.

Die Parallelität der Ereignisse springt ins Auge. Also muss man sich fragen, wie lange es Sam Rainsy diesmal gelingen wird, die Regierungsbildung zu verhindern, und in wessen Interesse dies geschieht..

Anmerkungen:
1 Ich beziehe mich bei dieser zusammenfassenden Presseschau vor allem auf drei große Artikel (27/28. Juli, 30. Juli, 10. August) in der FR. Die Berichte in den anderen deutschen Tageszeitungen dürften in der Tendenz ähnlich gewesen sein, da sie sich wie die FR auf die Nachrichtenagenturen AFP und dpa stützten.
2 Die damals schlicht seinen Namen trug: Sam Rainsy-Partei
3 Die Tagespost vom 18. Juli 2013
4 Vor allem die VNS, die im zeitliche Umkreis der Wahlen fast täglich berichtete, sowie der englischsprachigen kambodschanischen Zeitung The Cambodian Herald. Beide gaben jedoch häufig nur Meldungen der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua oder der französisch AFP wieder.
5 Angesichts dieses unerwartet hohen Ergebnissen für die Partei Sam Rainsys fragt man sich, warum die CPP mit all ihren kriminellen Fälschungsmaßnahmen dies nicht zu verhindern gewusst hat. Dieser behauptet sogar, seine Partei hätte eigentlich mit 63 Sitzen die Mehrheit im Parlament gewonnen, ohne Beweise vorzulegen. LM, 16.08.2013
6 LM 30.07.2013
7 Ebda.
8 LM 10.08.2013
9 Ebda.
10 Beide Zitate in The Cambodian Herald, zit. nach VNS 01.08.2013
11 FR 10.08.2013
12 VNS 10.08.2013
13 The Cambodian Herald, zit nach VNS 09.08.2013
14 Vgl. mein Buch: Land der Reisfelder, Hamburg 2013, wo diese Ereignisse im Detail nachgezeichnet werden auf S. 218ff.
15 „Nationale Front für ein unabhängiges neutrales, friedliches und kooperatives Kambodscha“. Wegen ihrer Nähe zu Sihanouk galt sie als royalistisch und westlich orientiert.
16 Die „Sam Rainsy-Partei“ (SRP) erhielt 1998 14 und 2003 22 % der Stimmen. All diese dramatischen Ereignisse vor und nach den Wahlen 1998 sind in meinem Buch detailliert dargestellt: Land der Reisfelder S. 355-365
17 Vgl. Land der Reisfelder, S. 144.
18 Sihanouk hatte 1955 als König abgedankt, um direkt auf der politischen Szene als Parteiführer zu agieren.
19 Es wurde sogar vermutet, Rainsy sei ein Agent der CIA.

veröffentlicht im Vietnam Kurier 2/2013

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