Freihandelsabkommen

Es geht nicht nur um TPP

Zusammengestellt von Jürgen Adam

Vietnam verhandelt zur Zeit Freihandelsabkommen (FTA = Free Trade Agreements) mit verschiedenen Partnern: Neben dem TPP geht es um Verhandlungen mit Südkorea, der EU und der Zollunion von Russland, Weißrussland und Kasachstan (CU = Customs Union).

Der vietnamesische Minister für Industrie und Handel Vu Huy Hoang gab in der Zeitschrift Outlook mit der Vietnam News Agency (VNA) ein umfangreiches Interview zu den Verhandlungen mit der CU, der EU und mit Südkorea, das wir nachfolgend zusammenfassen und auszugsweise wiedergeben (wörtliche Wiedergaben in Anführungszeichen):

Die Abkommen betreffen Probleme des Handels mit Gütern und Dienstleistungen, Regeln für die Herkunft von Gütern und für Investitionen. Zu den Verhandlungsgegenständen gehören auch Maßnahmen in Bezug auf Gesundheit und Pflanzengesundheit (sanitary and phytosanitary measures SPS), Zollbestimmungen, Handelsschranken und technische Handelshemmnisse (technical barriers to trade TBT), Elektronischer Handel (E-commerce), geistiges Eigentum und öffentliches Beschaffungswesen.

„Die Verhandlungen über alle Gegenstände der Abkommen, die auch nachhaltige Entwicklung, Institutionen und Rechtsfragen betrafen, wurden simultan abgewickelt. Die Verhandlungsteams arbeiteten eng zusammen und hielten sich an Verhandlungsschemata in Übereinstimmung mit den örtlich geltenden Rechtsvorschriften.“

Die Verhandlungen sollen unter der Perspektive geführt werden, dass die Abkommen in der ersten Jahreshälfte 2016 unterzeichnet werden können. Vietnam und die EU begannen ihre Verhandlungen über das EU-Vietnam Abkommen (EVFTA) im Juni 2012 in Brüssel. Seither hat es bis Januar 2015 10 offizielle Verhandlungsrunden und zahlreiche Treffen gegeben. Nach der 10. Runde am 13. Oktober 2014 beratschlagten Ministerpräsident Dung und der Präsident der EU-Kommission Barroso über einen Abschluss der EVFTA- Gespräche. In einer gemeinsamen Erklärung hoben sie die Bedeutung eines frühzeitigen Abschlusses auf der Basis positiver Entwicklungen und wesentlicher Vereinbarungen auf vielen diskutierten Gebieten hervor, u. a. Zölle, Handelserleichterungen, TBT, Transparenz und Kooperation. Zugleich vereinbarten sie, die noch offenen besonders kritischen Probleme zu lösen Dazu gehören u.a. Fragen der Marktöffnung, Investitionen und öffentliche Beschaffung, Regeln rechtlicher Art, insbesondere zu Fragen des geistigen Eigentums, Managementregeln, Schutz von geographischen Herkunftsbezeichnungen, Probleme mit staatseigenen Unternehmen und schließlich der Investitionsschutz. – Hier zeigt sich, dass gerade in den wirklich schwierigen und riskanten Bereichen noch keine Einigung erreicht wurde. Es sind die gleichen, die in Europa zum Widerstand gegen TTIP führen und auch bei TPP noch nicht gelöst sind.

Vietnam und Südkorea starteten die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen (VKFTA) im August 2012 in Hanoi. Es folgten acht Verhandlungsrunden und acht weitere Treffen. Die Verhandlungen sind im wesentlichen abgeschlossen. Nach den Aussagen von Minister Hoang kam es zu wichtigen Vereinbarungen mit Vorteilen für beide Seiten. Er und sein südkoreanischer Kollege unterzeichneten am 10. Dezember 2014 in Busan den Vertrag, mit dem die Verhandlungen abgeschlossen wurden. Nach dem Vertrag soll Südkorea seine Zolltarife senken und Exportmöglichkeiten für Vietnams Schlüsselprodukte im Bereich von Landwirtschaft und Fischerei wie Shrimps, Fische und tropische Früchte sowie für Erzeugnisse der Textil- und Bekleidungsindustrie und Maschinen. Südkorea erklärte sich auch damit einverstanden, Wachstumsmöglichkeiten für vietnamesische Dienstleistungsunternehmen und die Finanzbranche zu eröffnen und technische Unterstützung auf verschiedenen Gebieten zu leisten. Außerdem ließ es erstmalig den Import von Knoblauch, Ingwer und Honig aus Vietnam zu. Vietnam räumt Südkorea eine Vorzugsbehandlung beim Import von Industrieprodukten ein, insbesondere bei Material und Zubehör für den Textil/Bekleidungssektor, Kunststofferzeugnissen, Elektronikbauteilen, LKWs und PKWs mit über 2500 ccm Hubraum. Ferner fallen Autoteile, elektrische Haushaltsgeräte, Stahlprodukte und Elektrokabel unter die Handelserleichterungen.

Die Verhandlungen zwischen Vietnam und der CU begannen im März 2013. Sie wurden nach 8 Verhandlungsrunden und zahlreichen technischen Gesprächen im Dezember 2014 abgeschlossen. Am 15. Dezember 2014 unterzeichneten der vietnamesische Minister als Vorsitzender der Verhandlungsdelegation und Andrej Slepnev, Handelsminister der Eurasischen Wirtschaftskommission und Vorsitzender von deren Verhandlungsdelegation auf der Insel Phu Quoc eine gemeinsame Erklärung über den Abschluß eines Freihandelsabkommens (VCUFTA). Nach dem Abkommen räumt die CU Vietnam ähnliche Handelsvorteile ein, wie sie mit Südkorea vereinbart worden sind. Zusätzlich sind Vorzugsbedingungen für Schuhe und Lederwaren sowie Holzmöbel vorgesehen. Vietnam erleichtert die Einfuhr aus den Staaten der CU für eine ganze Reihe von Waren wie Haushaltswaren, Maschinen, Ausrüstungsprodukte und Fahrzeuge. Dadurch werde das Angebot auf den Märkten Vietnams erweitert, ohne Konkurrenz für lokale Produkte darzustellen

Zu den Verhandlungen über VCUFTA erklärte Minister Hoang: „Vietnam und die Mitgliedsstaaten der CU hatten über lange Zeit gute Beziehungen. Die CU legt gegenwärtig großen Wert darauf, die Entwicklung der Kooperation auf allen Gebieten mit den Staaten der asiatisch-pazifischen Region einschließlich Vietnam voranzubringen. Das VCUFTA ist das erste solcher Abkommen, das die CU mit einem Staat außerhalb der CU abgeschlossen hat.

Während der Verhandlungen verbesserte die CU ihre Organisationsstruktur, um ab 2015 eine Europa-Asien-Wirtschaftsunion zu werden. In den ersten Verhandlungsrunden hatte die CU Schwierigkeiten bei der internen Abstimmung, insbesondere wegen Weißrussland und Kasachstan, die nicht Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO) sind, während das VCUFTA nach den Regeln der WTO organisiert ist. Für Vietnam bestand die größte Herausforderung im Mangel an Fachleuten für die Verhandlungen, weil Vietnam sich gleichzeitig in Verhandlungen über 6 FTA befand. Neben den Verhandlungen über EVFTA, VCUFTA, VKFTA führte das Land Gespräche über TPP, mit der EFTA und über Regionale wirtschaftliche Partnerschaften (Regional Comprehensive Economic Partnerships RCEP).“

Auf die Frage nach der Bedeutung von VCUFTA sagte Minister Hoang: „Die CU ist mit einer Gesamtbevölkerung von 170 Mio. und einem Bruttosozialprodukt von 2,5 Mrd. US-$ jetzt ein neuer offener Markt. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Importgütern. Vietnam ist der erste Freihandelspartner, was dazu führen wird, dass Vietnam sich eher in den Markt integriert als andere. Dieser Vorteil wird sich auf den Export von Waren, Dienstleistungen und Investitionen auswirken. Nach Inkrafttreten des Abkommens rechnen wir mit einem jährlichen Wachstum des beiderseitigen Handelsvolumens um 18 bis 20 %. Auch die beiderseitigen Direktinvestitionen werden wegen der Liberalisierung der Vorschriften und der Schaffung eines günstigeren Investitionsumfelds steigen. Es wird erwartet, dass das Abkommen positive Auswirkungen auf den Zuwachs der Produktion bestimmter Güter und von Einkommen und Arbeitsplätzen hat. Unter dem Abkommen wird es auch Liberalisierungen auf dem Gebiet der Logistik, des Finanzwesens, der Bankdienstleistungen und der Zusammenarbeit bei der Zollverwaltung geben.“

Es lässt sich leicht erkennen, dass auch in Vietnam die problematischen Seiten der Freihandelsabkommen gesehen werden, dass aber deren Vorteile im Vordergrund der Betrachtung stehen. Vietnam ist ein wichtiges Exportland, das sich neue Märkte erobern und Hindernisse bei den bestehenden Exportbeziehungen aus dem Weg räumen muss. Ohne eigene Gegenleistungen funktioniert das nicht. Man kann nur hoffen, dass in Vietnam tüchtige und erfahrene Verhandlungsteams heranwachsen.

Quelle: VNS-Outlook 1/201

veröffentlicht im Vietnam Kurier 1/2015

zurück zurückVNK Home