Kampf gegen Korruption

Die Regierung greift härter durch

Ein Kommentar von Chi Lan

Der Kampf gegen die Korruption wurde niemals so entschieden geführt wie derzeit. Die Verhaftung des vormals hochrangigen Funktionärs Trinh Xuan Thanh Anfang diesen Monats ist nur die letzte von sehr vielen allein in diesem Jahr 2017 erfolgten Verhaftungen hochrangiger Regierungsbeamten.

Provinzregierungsvertreter, Vizeminister und Minister sind aus ihren Positionen entfernt worden wegen einer Vielzahl von verschiedenen Vergehen: Schmiergeldaffären, Machtmissbrauch oder Misswirtschaft haben ernsthafte Konsequenzen für sie.

Der schockierendste, weil unerwartete Absturz im Rahmen der laufenden Kampagne ist der Fall des ehemaligen Parteisekretärs von Ho Chi Minh-Stadt, Dinh La Thang, der gleichzeitig Mitglied im höchsten Entscheidungsgremium der Partei war, dem Politbüro. Thang wurde aus ihm entfernt, nachdem gegen ihn schwerste Vorwürfe bekannt wurden.

Diese Vorgänge sind zugleich deprimierend und ermutigend. Deprimierend, weil die hässliche Wahrheit ans Licht kam, dass Korruption bis in die höchsten politischen Kreise vorgedrungen ist, und ermutigend, weil ein Ende gemacht wurde mit der Immunität, deren sich die höchsten Vertreter der Politik bislang erfreuen zu dürfen glaubten.

Die bis dahin entschiedenste Zuspitzung dieser Kampagne ist zum großen Teil Verdienst des Generalsekretärs der Partei Nguyen Phu Trong. Allen Entscheidungen, korrupte Vertreter ihrer Posten zu entheben, lagen einmütige Beschlüsse des Zentralkomitees oder Generalsekretariats zugrunde. Die Entschlossenheit von Trong war ohne Zweifel der Motor dieser ganzen Maßnahmen.

Über mehrere Dekaden waren eine schnelle ökonomische Entwicklung und eine Erhöhung des Lebensstandards außergewöhnliche Leistungen der regierenden Partei, und die Bevölkerung hatte Grund, dieser Politik ihr Vertrauen zu schenken.

Aber die Achillesferse dieser Entwicklung, die ungerechte Verteilung ihrer Errungenschaften, kam in dem Moment zutage, als das Wachstum stockte, die öffentlichen Schulden anstiegen und der Staatshaushalt Schwierigkeiten hatte, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Die finstere Konsequenz dieser Kehrseite der Medaille war tief verwurzelte Korruption, und sie zu beseitigen erfordert den politischen Willen, dies wie in einer Schlacht durchzusetzen. Die Partei sprach kürzlich von der Korruption als einer „nationalen Bedrohung“, die ernsthafte Schritte verlange, um wenigstens einen Teil des verlorenen Vertrauens wiederzugewinnen.

Vietnam hat eine offene Wirtschaft mit einer großen Abhängigkeit vom Handel, um das Wachstum zu sichern. Allgemein ist die Hoffnung verbreitet, dass die Unterzeichnung mehrerer Freihandelsabkommen mit wirtschaftlich entwickelten Ländern Vietnam viele Gewinne bringen würde. Aber dies setzt voraus, dass die Erwartungen unserer ausländischen Partner erfüllt werden: Transparenz und Integrität.

Über diesen Druck von außen hinaus hat die sprunghaft steigende Zahl von Vietnamesen mit einer besseren Ausbildung und dem ständigen Zugang zum Internet, was auch dazu beigetragen hat, einige der Korruptionsanfällige aufzudecken, gleichzeitig zur Konsequenz, dass die Unzufriedenheit mit Partei und Regierung sich ebenso schnell verbreitet.

In diesem Kontext ist der Führung der Partei beizustimmen, wenn sie es ernst meint mit dem Kampf gegen die Korruption. Trotzdem bleiben Fragen offen: Wie weit sollte er gehen, und wie lange wird es dauern?

Auch wenn hochrangige Funktionäre aus ihren Positionen entfernt wurden, so ist dies doch in den meisten Fällen die einzige Strafe, die sie erhalten. Nur wenige wurden gerichtlich belangt und zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Wirtschaftskriminalität, die die Steuerzahler ihres hart verdienten Geldes beraubt, darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die jüngste Entlassungskampagne, so beeindruckend sie sein mag, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer wieder neue Vermutungen auftauchen, dass es immer noch zu viele Korruptionsfälle gibt, die ungesühnt bleiben.

Also: Der Kampf geht weiter. Ich glaube, dass das vietnamesische Vorgehen, das auf kollektiver Meinungsbildung und Beschlussfassung beruht, nicht so schnell aufhören wird. Wir können uns das auch gar nicht leisten.

Quelle: VNS 24.08.2017
Übersetzung Günter Giesenfeld

veröffentlicht im Vietnam Kurier 2/2017

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