An den Genossen Nguyen Tan Dung, Ministerpräsident

In der letzten Zeit hat die Presse viele Artikel und Meinungsäußerungen von Wissenschaftlern und Soziologen veröffentlicht, die auf die großen Gefahren hinweisen, die der Natur und den Menschen durch verschiedene Projekte drohen, mit denen im Tay Nguyen Bauxit abgebaut werden soll.

Anfang November 2008 haben bekannte Wissenschaftler und Beamte einen Entschließungsantrag an die Spitzen von Partei und Regierung geschickt, in dem sie die Einstellung der Arbeiten an diesen Projekten verlangen, damit neue Untersuchungen angestellt werden können, das Für und Wider neu untersucht werden kann, und zwar umfassend.

Indessen wurden die Arbeiten im Laufe des Monats Dezember fortgesetzt und die ersten chinesischen Arbeiter, mehrere Hundert an der Zahl, hielten sich bereits an der Baustelle auf – vorgesehen sind Tausende in jedem Projekt.

Man erinnere sich: Anfang 1980 hatte die Regierung das Projekt des Abbaus von Bauxit im Tay Nguyen in ein Kooperationsabkommen mit dem RGW1 aufgenommen. Ich war persönlich beauftragt, dieses Projekt zu begleiten und zu führen. Nach eingehenden Untersuchungen und einer allgemeinen Bewertung der Aussichten durch russische Spezialisten hatte der RGW unserer Regierung den Rat gegeben, dieses Projekt fallen zu lassen wegen der schweren nachhaltigen und unkontrollierbaren ökologischen Schäden, nicht nur für die Bevölkerung der Region, sondern für die ganze südliche Bergregion Zentralvietnams. Daraufhin hat die Regierung beschlossen, den Bauxitabbau einzustellen und dafür die Wälder zu pflegen und im Tay Nguyen stattdessen Industriepflanzen wie Kautschuk, Kaffee oder Tee zu kultivieren.

Nach Meinung unserer Wissenschaftler, und den Ergebnissen von Untersuchung aller Aspekte kann man auch unter Berücksichtigung der ökonomischen Bedingungen und aktuellen Techniken nur zu den selben Schlußfolgerungen kommen wie die russischen Spezialisten vor 20 Jahren.

In dieser Situation, in der die Alarmglocken laut ertönen, müssen wir die Projekte objektiv neu prüfen, müssen wir die Pläne für den Abbau von Bauxit im Tay Nguyen neu einschätzen.

Was den Umfang angeht, so ist das Bauxit-Projekt in Vietnam im Tay Nguyen, das bis 2025 laufen soll, ein großer Plan, dessen Wert bei einer Größenordnung von einer Milliarde US-$ liegt. Allein deswegen wird der Plan sehr einschneidende Auswirkungen haben auf die verschiedensten Lebensgebiete, wird weitreichendere Folgen haben als alle laufenden wirtschaftlichen Projekte.

Deshalb müssen Berater, erfahrene internationale Experten eingeladen werden, die sich mit unseren Wissenschaftlern und unseren Verwaltungsfachleuten zusammen ein objektives Urteil bilden und einen Bericht an das Politbüro und an die Nationalversammlung weiterleiten, wo es sorgfältig geprüft werden muß, damit eine so wichtig Sache nicht nur durch einen Minister oder eine Wirtschaftsgruppe vertreten wird.

Kürzlich hat der Genosse Ministerpräsident entschieden, die Errichtung eines großen Stahlwerks durch einen koreanischen Konzern in der Bucht von Van Phong abzulehnen. Dieser Beweis für die Entschlossenheit der Regierung, eine solide und ausgeglichene Wirtschaft aufzubauen, war vom Volk und von den Wissenschaftlern begrüßt worden.

Die Ausarbeitung einer ausgeglichenen Entwicklungsstrategie für den Tay Nguyen ist eine wichtige Aufgabe für das ganze Land in wirtschaftlicher, kultureller und sicherheitspolitischer Hinsicht.

Ich schlage dem Ministerpräsidenten vor, die Einstellung aller Projekte, das Bauxit betreffend, im Tay Nguyen anzuordnen, und ich bitte das Politbüro, die notwendigen makroskopischen Untersuchungen, die Grundlage jeder Entscheidung sind, selbst in die Hand zu nehmen.

Gute Gesundheit

Zweiter Brief (Telegramm) an das Kolloquium über Bauxit im Tay Nguyen Ich bin davon informiert worden, daß heute das Kolloquium über Bauxit im Tay Nguyen stattfindet, das geleitet wird vom Genossen Vize-Premierminister Hoang Trung Hai. Nach meiner Meinung handelt es sich um ein sehr wichtiges Thema, das nicht ohne Folgen bleiben wird. Und ein Problem mit dem ich sehr vertraut bin. Ich habe dazu einen Brief an den Genossen Ministerpräsidenten geschrieben und ich habe darauf noch keine Antwort erhalten. Ich hoffe, daß auf diesem Kolloquium Wissenschaftler, Beamte und Soziologen ihrer Verantwortung gegenüber dem Volk gerecht werden und wissenschaftlich, ernsthaft und offen darüber sprechen, und daß sie der Partei und der Regierung einen Entschließungsantrag unterbreiten werden, eine gerechte Handlungsanweisung angesichts des „Bauxit-Problems“ im Tay Nguyen. Meine Meinung ist, daß man auf den Abbau verzichten sollte. Im allgemeinen Interesse und für die langfristige Entwicklung unseres Landes würde der Abbau äußerst gewichtige Folgen haben im Hinblick auf die Ökologie, die Gesellschaft und die Sicherheit. Die beste Gesundheit für alle. Hanoi, am 09. April 2009 General V. N. G.

An das Zentralkomitee und das Politbüro, an die Nationalversammlung und an die Regierung

Vor einiger Zeit habe ich einen Brief an den Genossen Ministerpräsidenten und ein Telegramm an das wissenschaftliche Kolloquium über die Probleme des Bauxitabbaus im Tay Nguyen geschickt.

Heute habe ich nun vom Büro des Parteisekretariats eine Information über die Beschlüsse des Politbüros erhalten. Nachdem ich diese genau gelesen habe, möchte ich mir erlauben, dem Büro, dem Exekutivkomitee, der Nationalversammlung und der Regierung einen Beschlußantrag zu unterbreiten:

1) Ich bin sehr erfreut, zu erfahren, daß das Büro den Rat der Alten, der Wissenschaftler mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt und daraufhin empfiehlt, den Plan zu überarbeiten, zu kontrollieren und zu regulieren, indem es eine Anzahl wichtiger Forderungen erhebt, wie:
- die ökonomischen und sozialen Folgen zu beachten
- das neueste Material benutzen und die neuesten Techniken anwenden
- das Problem des Energie- und Wasserbedarfs lösen und sich ganz besonders die Sicherheitsprobleme in bezug auf die nationale Verteidigung sowohl in der Gegenwart als auch langfristig in der Zukunft, und die ökologischen und kulturellen Probleme beachten
- die Vollmacht zum Handeln weder an irgendeine Gemeinde, noch an ausländische Individuen übertragen.
- Im Bewußtsein der äußersten Wichtigkeit des Problems beschließt das Politbüro, dem Zentralkomitee und der Nationalversammlung zu berichten.

2) Es ist der Beschluß des Politbüros, die Versuchsanlage in Tan Rai – Lam Dong fortzuführen. Und das Projekt Nhan Co Dac Nong muß neu evaluiert werden. Dazu schlage ich konkret folgendes vor:

Die Möglichkeit, Bauxit in Vietnam zu gewinnen und zu verarbeiten, stellt ein sehr bedeutsames Problem dar, das sich möglicherweise auf die Ökologie, die Kultur und die Gesellschaft sowie die nationale Sicherheit negativ auswirken kann und die Stabilität und die Nachhaltigkeit der Entwicklung des Landes beeinträchtigen kann.

Die Probleme, die das Politbüro festgestellt hat, sind bis heute nicht unter allen Aspekten analysiert, erforscht und eingeschätzt worden. Und es gibt noch keine Vorschläge für klare Lösungen. Und überdies gibt es noch weitere Probleme. Aus diesem Grund schlage ich vor:
- Alle Projekte des Abbaus, auch die Erkundungsprojekte, sollen eingestellt werden.
- Der Verband der wissenschaftlichen und technischen Vereinigungen Vietnams wird beauftragt, aus benachbarten Disziplinen entsprechendes Personal zu versammeln und zusammen mit ihnen ein wissenschaftliches Forschungsprogramm durchzuführen über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im Tay Nguyen allgemein und für die Regionen Zentrum (Trung Bo) und im Norden von Südvietnam (Nam Bo), unter besonderer Berücksichtigung des Abbaus von Bauxit im Tay Nguyen. Dabei sollen alle Aspekte berücksichtigt und die Probleme behandelt werden, die das Politbüro formuliert hat.
- Auf der Grundlage dieser Untersuchungen werden dann das Zentralkomitee und die Nationalversammlung das Für und Wider abwägen und entscheiden.

Ich selbst bin nicht für den Bauxit-Abbau. Nach meiner Meinung muß man abwarten, bis die Kenntnisse und Methoden sich entwickeln und bis man mit moderneren Techniken bessere Ergebnisse erzielen, die Sicherheit gewährleisten und die für die künftigen Generationen bestimmten Naturressourcen besser schützen kann. In der gegenwärtigen Situation können wir auch ohne diesen Abbau unser Land entwickeln, industrialisieren und modernisieren.

Ich schlage dem Zentralkomitee, dem Politbüro und der Nationalversammlung vor, zu der Verantwortung zu stehen, die sie der Partei und dem Volk gegenüber haben. Und das Land demokratisch und wissenschaftlich zu leiten.

Das heißt: Entscheidungen nur treffen, wenn die Ergebnisse und vollständigen Analysen vorliegen, unter Beachtung aller Aspekte des Problems. Aufmerksam die Meinungen zahlreicher Wissenschaftler, der Kader und vor allem der Bevölkerung anhören. Dies muß geschehen, um Irrtümer zu vermeiden, die Unheil über das Land bringen könnten.

Hoffen wir, daß das Zentralkomitee und die Nationalversammlung die Demokratie walten lassen: gründlich diskutieren und dann die richtigen Entscheidungen treffen.

Beste Wünsche für die Gesundheit. Freundschaftliche Grüße

veröffentlicht im Vietnam Kurier 2/2009