Vietnam, Agent Orange
und die Gentechnik

Ein Produzent von Agent Orange wird in Vietnam willkommen geheißen, seine gentechnisch manipulierten Produkte zu verkaufen.

Brian Leung

Vietnam hat den roten Teppich ausgerollt, darüber schreiten erhobenen Hauptes die ausländischen biotechnischen Konzerne ins Land, darunter die berüchtigte Firma Monsanto. Sie wollen den Vietnamesen ihre umstrittenen genetisch veränderten Getreidesamen verkaufen.

Kritiker verweisen darauf, dass es als zynisch empfunden werden muss, wenn ausgerechnet Monsanto jetzt so (besser: viel zu) freundlich empfangen wird, jener Produzent von Agent Orange, dem hochgiftigen, mit Dioxin durchsetzten „Entlaubungsmittel“, das während des Vietnamkriegs in Vietnam eingesetzt wurde und eine fürchterliche Erbschaft hinterlassen hat. Bis heute und in unabsehbare Zukunft leiden immer noch Opfer darunter.

In vietnamesischen Medien war zu erfahren, dass im August 2014 das vietnamesische Landwirtschaftsministerium die Einfuhr von vier Getreidesorten genehmigt hat, die versuchsweise für die Futterproduktion und auch als Lebensmittel gepflanzt werden sollen: MON 89034 und NK 603 von Monsanto bzw. seinem vietnamesischen Ableger DeKalb sowie GA 21 und MIR 162 der Schweizer Firma Syngenta.

Das vietnamesische Umweltschutzministerium hat inzwischen Unbedenklichkeits-Zertifikate für Monsantos MON 89034 und NK 603 Saatgut sowie für Syngentas GA 21 erlassen, was bedeutet, dass Bauern im Prinzip mit der kommerziellen Nutzung beginnen können. Die Genehmigung der vierten genmanipulierten Getreidesorte MR 162 von Syngenta wird im Ministerium noch geprüft. Angesichts der derzeitigen politischen Stimmung ist die Freigabe aber nur noch eine Frage der Zeit.

Schon im Jahre 2006 hatte die vietnamesische Regierung einen ehrgeizigen Plan ausgearbeitet, der die Einführung von Gentechnik als ein „besonderes und vorrangiges Programm zur Entwicklung und Anwendung der Biotechnologie in der Landwirtschaft zur Unterstützung der ländlichen Entwicklung“ bezeichnete. Nach diesem Entwurf ist vorgesehen, dass die erste Aussaat von gentechnisch manipulierten Sorten 2015 erfolgen soll. Der Anteil des Anbaus von GMOs (Genetically Modified Organisms) soll bis zum Jahre 2020 auf 30 bis 50 % der gesamten Anbaufläche des Landes ausgeweitet werden.

Umweltschützer haben auf die Ironie hingewiesen, dass zu einer Zeit, da in den USA und überall in der Welt die Bevölkerung mit wachsender Intensität gegen die GMOs protestiert und auf die Straße geht1, Vietnam seinen großen Vorteil als GMO-freies Land über Bord wirft. „Immer mehr Länder auf der ganzen Welt lehnen die GMOs ab, die öffentliche Ablehnung wächst von Tag zu Tag. In Europa, in großen Teilen Asiens, Lateinamerika und Afrika lehnen die Menschen und oft auch die Regierungen GMO-Saaten ab als eine Technik, die ihre Versprechungen nicht eingehalten hat“, sagt Marcia Ishii-Eiteman, führende Wissenschaftlerin beim Pesticide Action Network in den USA.2

Gerade in den USA ist die Meinung unter den Verbrauchern inzwischen umgeschlagen, unerwartet schnell wächst die Ablehnung. Lebensmittelproduzenten suchen verzweifelt nach Lieferanten für nicht GMO-haltigem Saatgut, wie in der New York Times berichtet wurde. Europa hat seine Lebensmittel-Industrie aufgefordert, die GMOs über Bord zu werfen.3 In einem besonders lehrreichen Fall haben europäische Behörden 99 % der Getreide-Importe aus den USA abgewiesen, und zwar in einer Zeit, in der diese Lieferungen nur zu 25 % aus GMO bestanden. Im vorigen Jahr (2013) hat die VR China 887.000 t US-Getreide zurückgewiesen, weil es GMO-Mais MIR 162 von Syngenta enthielt4 – eben jene Sorte, die jetzt in Vietnam genehmigt wurde.

Die Organisation International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development and Sustainability in History hat eine Untersuchung5 durchgeführt, die als die gründlichste ihrer Art gilt, und dabei herausgefunden, dass die hohen Kosten für Saatgut und chemische Substanzen, unsichere Ernteerträge und das Risiko der Schädigung der lokalen Lebensmittelsicherheit die Biotechnologie als eine schlechte Wahl für die Entwicklung erscheinen lassen. GMOs haben, in ihrem derzeitigen Entwicklungsstand, nichts zu bieten für den Kampf gegen den Hunger, bei der Linderung der Armut und beim Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft. So das Fazit des Berichts.

Sechs multinationale Konzerne, Monsanto, Syngenta, Du Pont, Bayer, Dow Chemical und BASF, kontrollieren derzeit zwei Drittel des globalen Markts für Saatgut, ein Viertel des Handels mit Agro-Chemikalien und 100 % des gesamten Welthandels mit GMO. Dies hat ein Bericht der Friends of the Earth International herausgefunden, ein internationales Netzwerk von Umweltschutz-Organisationen in 74 Ländern.

Monsanto war der wichtigste Hersteller von Agent Orange während des Vietnamkriegs, der 1975 endete. Vietnam weist immer wieder darauf hin und beklagt, dass das giftige Unkrautvernichtungsmittel noch immer Opfer fordert, bis heute. Zischen 2,1 und 4.8 Mio. Vietnamesen waren direkt der Wirkung von Agent Orange und anderen Giftstoffen ausgesetzt, die schon während des Krieges als Verursacher von Krebs, Geburtsfehlern und chronischer Krankheiten galten, so das vietnamesische Rote Kreuz. Gegner behaupten, dass der Einsatz von Monsantos GMO-Getreide und des giftigen Unkraut-Killers Roundup Monsanto, der zusammen mit den GMO-Pflanzen eingesetzt werden muss, zu einer Wiederholung der Agent-Orange-Tragödie führen könnte.

„Es ist nicht ohne Ironie, dass Vietnam, das immer noch unter den Folgen von Agent Orange leidet, das Monsanto während des Kriegs hergestellt und an die US-Army geliefert hat, nun mit dieser Firma ausgedehnte Geschäfte machen will. Aber dieses „historische“ Argument ist nicht alles. Es hat sich herausgestellt, dass das Unkrautvernichtungsmittel Roundup, das ebenfalls von Monsanto produziert wird und auf fast allen GMO-Feldern eingesetzt wird, im Verdacht steht, beim Menschen Geburtsfehler hervorzurufen, sagt Jeffrey M. Smith, Autor6 und Vorsitzender der kalifornischen NGO namens Institut for Responsable Technology. „Der Beweis dafür stammt aus Monsantos eigener Forschung und wird bestätigt durch Erfahrungen, die in Argentinien und anderen Ländern gemacht wurden. Dort trat eine in die Höhe schießende Anzahl von Geburtsfehlern bei Bevölkerungsgruppen auf, die dem Unkrautkiller ausgesetzt waren. Laborstudien haben erwiesen, dass Embryos, die mit Roundup in Kontakt gebracht wurden, dieselben Geburtsfehler aufwiesen wie Bauern, die in der Nähe von mit Roundup besprühten Feldern lebten. Entsprechend weisen Tiere, die mit Roundup-besprühtem Futter ernährt werden, weit häufiger ähnliche Geburtsfehler auf“, sagt Smith.

Aktivisten vergleichen, die GMO-Getreidesorten, die jetzt gerade in Vietnam freigegeben worden sind, mit einem Eisberg, bei ihnen sind die schlimmen Folgen nicht sofort sichtbar. Und wenn diese GMO-Konzerne erst einmal offiziell Fuß gefasst haben würden in Vietnam, wenn sie Präzedenzfälle geschaffen hätten mit der Genehmigung der ersten Produkte, dann würden sie bald noch gefährlichere GMO- oder Herbizid-Produkte ins Land pushen. Anstatt den Gebrauch von Herbiziden zu reduzieren, führen GMO-Pflanzen unweigerlich zu einem steigenden Einsatz von Herbiziden. Denn die angeblich Herbizid-resistenten Saaten sind dies nur für eine kurze Zeit und erfordern dann einen massiven erhöhten Einsatz von neuen, besonders starken Herbiziden, was zu ernsthaften Umwelt- und Gesundheitsproblemen führt.

Nach den Worten von Ishii-Eiteman vom Pesticide Action Network ist es „das kleine schmutzige Geheimnis der Giftindustrie, dass GMO-manipulierte, Herbizid -restistente Saaten die Wachstumsmaschinen für die Umsätze dieser Industrie sind und somit im Mittelpunkt ihrer Marketing-Strategie stehen. Das Saatgut ist Teil eines Technologie-Pakets, das ausdrücklich dazu dienen soll, den wahllosen Einsatz immer größerer Mengen von Herbiziden anzureizen und damit die Umsätze der Chemiebranche aufzupumpen.“ Nach Meinung der Mitglieder dieses Netzwerks sind die Bauern eigentlich nicht bereit, sich in die Fänge eines von Monsanto und Syngenta kontrollierten Marktes locken zu lassen. Aber den Getreidebauern in den USA ist es unmöglich gemacht worden, überhaupt Saatgut ohne GMO zu finden, denn in den USA verfügt Monsanto über ein absolutes Monopol auf dem Saatgut-Markt.7

Aber trotz der heftigen Opposition, die Monsanto überall in der Welt entgegenschlägt, wurde die Firma in Vietnam herzlich willkommen geheißen. Im Januar 2014 wurde sie offiziell als eine „nachhaltige Firma für die Landwirtschaft“ geehrt. Vorigen Monat8 kündigte Monsanto ein 1,5-Mrd.-Dong-Projekt für Stipendien an (70.500 US-$) für das Studium der Biotechnologie an der vietnamesischen Landwirtschafts-Universität. „Diese Stipendien sollen junge Talente für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Biotechnologie ausbilden und begeistern und entsprechende Produkte für die Bauern verwirklichen“, so war in Monsantos Blog zu lesen. Man zitierte dort auch Tran Duc Vien, den Rektor der Hochschule mit den Worten: „Biotechnologie ist ein vielversprechendes Gebiet der Wissenschaft im 21. Jahrhundert, das große Möglichkeiten erschließt, um das Leben der Menschen in verschiedener Weise zu verbessern. In der Landwirtschaft hat die Biotechnik schon ihren Nutzen unter Beweis gestellt, indem sie das Leben von mehr als 18 Millionen9 Bauern in der ganzen Welt verbessert hat. Die Regierung Vietnams ist entschlossen, diese Technologie nach Vietnam zu bringen und zu entwickeln. ... Wir sind froh über die Beteiligung des privaten Sektors an diesem Prozess und schätzen Monsanto hoch für sein Engagement in der Ausbildung von Talenten in der landwirtschaftlichen Biotechnologie.“

Diese Position ist ganz auf der Linie vietnamesischer offizieller Politiker, die zu glauben scheinen, dass die Einführung von GMO ein natürlicher Ausfluss ihrer Bemühungen ist, die Ernteerträge zu erhöhen und eine wachsende Bevölkerung von jetzt etwa 90 Millionen Menschen zu ernähren – zu einem vernünftigen Preis. Monsanto und seine Befürworter haben es ihnen genauso vorgestellt, als eine Lösung für Vietnams Probleme bei der Nahrungssicherheit.

Die Gegner sind damit nicht einverstanden. Wenn man davon ausgeht, dass Vietnam bereits seinen Willen erklärt hat, das von den USA initiierte Trans-Pazifik-Partnerschafts-Abkommen (TPP) zu unterzeichnen, befürchten Aktivisten, dass die USA versuchen werden, das Abkommen dazu zu nutzen, restriktive Regeln für das geistige Eigentum einzuführen, die sich als äußerst schädlich für die Entwicklungsländer herausstellen werden. Sie sagen, dass TPP, einmal unterzeichnet, den Weg freimachen wird für Saatgutkonzerne wie Monsanto, seine GMO-Patente in Vietnam auszuspielen.

Genna Reed, eine Forscherin bei der in Washington DC ansässigen Organisation Food and Water Watch sagt: „Unter den Regulierungen von TPP werden Pharmafirmen und Saatgutkonzerne eine unbeschränkte Macht in Vietnam haben, das Monopol auf ihre Patente zu verlängern, etwa um Generika-Medikamente zu verhindern und die Preise für sehr lange Zeit hoch zu halten. Dasselbe gilt für die Preise für das patentierte Saatgut. TPP wird es auch sehr schwer machen, gegen nicht gerechtfertigt hohe Preise vorzugehen und noch schwerer, generische Versionen von Medikamenten in der pazifischen Region zugänglich zu machen. Dieses Handelsabkommen und die Erzwingung von intellektuellen Eigentumsrechten wird wichtige Medikamente und Saatgut noch teurer machen und damit fast nicht mehr zugänglich.“ Jeffrey Smith fasst es so zusammen: „Dies ist ein gefährlicher Schritt weg von der nationalen Souveränität für Vietnam und seine Bauern. TPP wurde geschaffen und geformt vor allem von Geschäftsinteressen der USA für die Geschäftsinteressen der USA.“

Anmerkungen:
1 Vgl. Jonathan DeHart: Filipino farmers say no to GMO, The Diplomat 14.08.1013
2 Dies ist inzwischen eine durch viele sehr seriöse Publikationen bewiesene Feststellung. (Red.)
3 Nun ja, so weit ist es wohl noch nicht, aber eine Tendenz ist spürbar. (Red.)
4 Shannon Tiezzi: Tha latest threat to China-US relations, The Diplomat, 21.02.2013. Siehe auch Kurier-Dienst in diesem Heft.
5 http://apps.unep.org/publications/pmtdocuments/-Agriculture%20at%20a%20crossroads%20-%20Synthesis%20report-2009Agriculture_at_Crossroads_Synthesis_Report.pdf
6 Smith schrieb die beiden wichtigsten Bücher zum Thema „Roundup“ und „Mon“-Getreide: Seeds of Deception, Fairfield Iowa 2003 und Genetic Roulette, Fairfield Iowa 2007
7 Die beiden Konzerne kontrollieren darüber hinaus bereits jetzt mehr als ein Viertel des Weltmarktes an Saatgut, und die vier größten Produzenten von Pestiziden und Biotech kontrollieren mehr als die Hälfte des Weltmarktes.
8 Oktober 2014
9 Eine Zahl, die nirgendwo belegt ist und aus den Werbematerialien von Monsanto stammt.

Quelle: The Diplomat, 24.November 2014,
http://thediplomat.com/2014/11/vietnam-agent- orange-and-gmos/
übersetzt von Günter Giesenfeld

veröffentlicht im Vietnam Kurier 3-4/2014

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