Die Regierung in Vietnam will für die Entwicklung der Landwirtschaft intensiv die Gentechnik einsetzen
Angesichts der Unmöglichkeit, weitere Anbaugebiete in nennenswertem Ausmaß zu erschließen, muß in Vietnam die Erhöhung der Erträge auf den bestehenden Feldern angestrebt werden. Dafür hat das Landwirtschaftsministerium nun den Einsatz der Gentechnik vorgesehen.
Anfang Mai, nach der endgültigen Ablehnung der Klage der Agent Orange- Opfer gegen Monsanto und andere Produzenten des dioxinhaltigen Gifts, als wir Vietnamfreunde darüber nachdachten, wie wir unseren Protest laut werden lassen könnten, welche Kampagnen oder Petitionen wir nun planen sollten, wurde folgende Meldung der Zeitung Thanh Nien über die Radiostation Voice of Vietnam und übers Internet verbreitet:
Monsanto in Vietnam! Unser Freund Len Aldis konnte dazu nur sarkastisch fordern: "Ich hoffe, daß die Delegation, wenn sie in Vietnam weilt, auch nach Ho Chi Minh-Stadt geht - inklusive der Leute von Monsanto - und dort die Opfer von Agent Orange im Tu Du- Krankenhaus besucht."
Das wird wohl kaum passieren. Denn es ist zu erwarten, daß auch die Delegation von Monsanto (es gibt seit langem eine Vertretung dieser Firma in Ho Chi Minh-Stadt) in Vietnam mit Höflichkeit und zuvorkommend begrüßt werden wird. Denn, wie in (allerdings nicht sehr vielen) Pressemeldungen seit einiger Zeit zu lesen war, setzt Vietnam bei der Ertragssteigerung seiner Landwirtschaft auch auf die Gentechnik (wie längst schon der nördliche Nachbar China).
Schon am 13. 11. 2008 hatte die französische Presseagentur AFP Berichte aus Vietnam weitergegeben, die diese Tendenz der vietnamesischen Landwirtschaftspolitik deutlich bestätigen:
Vietnam hat, im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen der Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft kontrovers diskutiert wird, kaum mehr Möglichkeiten, seine Anbaugebiete für Lebensmittel- und Futterpflanzen in großem Ausmaß zu erweitern. Im Norden, an der Küste und im Süden wird fast jeder Quadratmeter Boden bereits landwirtschaftlich genutzt, und im Bergland im Nordwesten und Mittelvietnam ist die Erschließung neuer Felder schwierig und teuer. Außerdem gehen durch das Wachstum der urbanen Gebiete und die Ansiedlung von Industrie sogar ständig Anbauflächen verloren. Da ist es kein Wunder, daß man versucht, die Produktivität auf den vorhandenen Feldern mit allen Mitteln zu steigern. Genau dafür bieten sich die Firmen, die die Gentechnik propagieren, an.
Vietnam verbindet mit diesem Programm anscheinend große Hoffnungen, wie Aussagen des Landwirtschaftsministers bestätigen:
Man fragt sich, auf welche "wissenschaftlichen Schätzungen" das Landwirtschaftsministerium in Hanoi sich hier beruft, denn die eigenen Forschungen können ja nicht auf Praxistests zurückgreifen. Sind es vielleicht die von Monsanto und den anderen Firmen verbreiteten Erfolgsmeldungen, deren Seriosität inzwischen stark in Frage steht?1
In der Presse ist öfter davon die Rede, daß man in Vietnam schon seit langem über Gentechnik nachdenke bzw. forsche. Angefangen habe es mit einem Regierungsbeschluß über ein Biotechnologie- Programm, der 2006 gefaßt worden ist, dem aber entsprechende Forschungen vorausgingen.2 Ein biotechnologisches Institut wurde gegründet. Dort wurden einige genveränderte Pflanzen wie etwa Papaya im Labor gezüchtet und getestet. Dort und an anderen entsprechenden Instituten will man schon mehrere Pflanzen entwickelt haben, die durch Gentechnik resistent gegen gewisse Schädlinge und Unkraut seien. "Angesichts des Verlustes an Anbauflächen durch Industrialisierung und Urbanisierung und angesichts des schnellen Bevölkerungswachstums gibt es keine andere Möglichkeit als die, Pflanzen zu entwickeln, die sich diesen Bedingungen und dem Klimawandel anpassen, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen.", so der Direktor des landwirtschaftlichen Genetik-Instituts, Prof. Le Huy Ham. Ham ist überzeugt, daß in 13 Jahren des weltweiten Anbaus von genveränderten Kulturen "keine krankheitserregenden Nebenwirkungen aufgetreten sind". Und fährt fort: "Niemand ist dagegen und es gibt auch keinen Grund, dagegen zu sein, nur für manche ist es eben zu neu".
Die Vorbehalte gegenüber der Gentechnik, die vor allem zunehmend in Europa laut werden, sind in Vietnam trotz solcher eher naiver Äußerungen sehr wohl bekannt. Aber die gängige Meinung dazu argumentiert rein ökonomisch: Man wolle die Gentechnik möglichst schnell selbst entwickeln und müsse sich daher von äußeren (kritischen) Einwänden abschirmen.
Einer der wenigen Zweifler empfiehlt demgegenüber, sich bei der Einführung in Vietnam wenigstens Zeit zu nehmen: "Die bei uns wachsenden Pflanzen haben in Hunderten von Jahren viele natürliche Züchtungsprozesse erlebt. Das beweist ihre Stärke und Überlegenheit. Es ist unangemessen, daß der Mensch jetzt in nur wenigen Jahren entscheidet, welches Gen er mit anderen vermischen soll und ob dann gewährleistet ist, daß das neue besser ist als das alte." sagt Dr. Nguyen Van Khai, bekannt für seine Arbeit auf dem Gebiet der Pflanzenpflege und Artensicherung. Schlimme Nebenwirkungen, so warnt er, werden vielleicht erst in 50 Jahren wirksam werden, bei neuen Generationen. Deswegen plädiert er auch dafür, daß die Konsumenten die Wahl haben sollen, und dazu sei es nötig, daß entsprechende Informationen zu Verfügung stehen. Das heißt, daß die Produkte gekennzeichnet sein müssen.
Auf dem ökologischen Internetportal www.echo-nature.com ist zu diesen Plänen Vietnams folgender Kommentar zu lesen:
... und hoffen, daß sich die vietnamesische Regierung das bis 2020 noch genauer überlegt, wäre hinzuzufügen.
Die Versuchung ist groß, nun, ausgerüstet mit den Kenntnissen, die hier in Europa inzwischen über die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik zur Verfügung stehen, den Landwirtschaftsminister in Hanoi mangelnder kritischer Distanz zu beschuldigen. Auch bei uns hat diese ja relativ spät eingesetzt und ist noch lange nicht bis in die Entscheidungslevels vorgedrungen (eine isolierte Ilse Aigner macht noch keinen genfreien Sommer!). Vietnam steht unter einem doppelten Druck: Einmal muß das Land - viel dringender als alle Industrieländer Länder, in denen die Gentechnik diskutiert wird - seine Lebens- und Futtermittelproduktion angesichts einer steigenden Bevölkerungszahl steigern, um nicht vom Import abhängig zu sein. Daß Reis genügend produziert und sogar exportiert wird, ist ein Ausnahmefall. Und wie gesagt, kann Vietnam seine Anbauflächen nicht nennenswert ausweiten.
Zum anderen geht die VR China mit (schlechtem) Beispiel voran. Dieses Land, das ebenfalls das Problem einer schnell wachsenden Bevölkerung und bereits jetzt Ernährungsprobleme hat, strebt ebenfalls die Unabhängigkeit von Lebensmittelimporten an. Andere Länder des südostasiatischen Raums sind da schon weiter - die Konkurrenz ist also groß.
Wenn Vietnam diese Ziele wirklich weiter verfolgen will, bleibt es nicht aus, daß sich mit Monsanto ein Partner anbietet, der von sich sagt, daß er genau für diese Probleme die beste Lösung habe.
Aber da gibt es ja wohl eine Vergangenheit. Wie der Landwirtschaftsminister damit umgeht, wie die Regierung die Inkonsequenz einer eventuellen Nichtbeachtung dieser Vergangenheit ihrer Bevölkerung erklärt, wäre für Außenstehende schon interessant.
Gerade haben die Opfer von Agent Orange einen Prozeß gegen diese Firma geführt und verloren und immer noch sind die Folgen der chemischen Kriegsführung unter Verwendung von Produkten dieser Firma noch längst nicht überwunden, und immer noch und auch in der Zukunft scheint eine Schadensersatzleistung der Produzenten ausgeschlossen. Und nun will man mit dieser Firma - abgesehen von den erwähnten Einwänden gegen die Gentechnik - nunmehr anscheinend Geschäfte machen. Die sich hier stellenden Fragen werden in den offiziellen Presseberichten über die Pläne der Regierung nicht erwähnt. Und versucht man, sich die Gespräche mit den Monsanto-Vertretern in diesem Monat in Hanoi vorzustellen, wird es wohl so sein, daß die Vergangenheit keine Erwähnung findet. Ist dann wohl eine Frage der Prioritätensetzung.
Oder hat Monsanto vielleicht, als es seine Büros in Vietnam einrichtete, als es sich nun auf die Gespräche mit der vietnamesischen Führung vorbereitete, irgendwelche Zeichen des Bedauerns oder der Erklärung erkennen lassen?
Offensichtlich nicht. Wer die Werbematerialien der Firma, ihre Internet-Auftritte durchforscht, findet nichts Offizielles zum Thema Agent Orange.
Oder fast nichts: Die Website der Firma enthält auch einen Blog, auf dem im Prinzip jeder und jede seine oder ihre Meinung sagen kann. Natürlich beschäftigen sich die dort stattfindenden (und in nicht bekanntem Ausmaß von der Firma kontrollierten) Diskussionen mit den aktuellen Problemen zur Gentechnik und ihrer weltweiten Ablehnung bei den Bevölkerungen vieler Länder. Und deren sind nicht wenige (siehe den Artikel im letzten VNK).
Aber ein Blogger hat das Thema trotzdem aufgegriffen. In welcher Weise er das getan hat, zeigt allerdings, warum die Firma diese Meinungsäußerung überhaupt aufgenommen hat. Blogger John bedauert zunächst, daß die wichtigen Debatten über Ertragssteigerung und die Vorzüge der Gentechnik unter seinen Kollegen immer wieder durch die Frage nach Agent Orange unterbrochen werden:
Zunächst wiederholt der Blogger eine unter reaktionären Kreisen verbreitete Meinung, die zugespitzt oft so formuliert wird: Wenn auch nur ein einziges amerikanisches Leben damit gerettet worden ist, dann war der Einsatz von Agent Orange richtig. Vielleicht würde die Firma (würde sie darauf in Vietnam etwa angesprochen) sogar einige bedauernde Wort über die Opfer verlieren - in der US-amerikanischen Befürworter-Szene hält man sich nicht mit so etwas auf.
Aber auch in der Sache selbst formuliert der Blogger exakt die Vorgaben der Monsanto-Sprachregelung, und zwar in zweierlei Hinsicht.
Die US-Regierung beauftrage, kontrolliere und vollziehe den Einsatz der von Monsanto hergestellten Produkte, sei also allein verantwortlich für eventuelle Folgen - das ist die Argumentation, die von den Anwälten im Prozeß der vietnamesischen Dioxinopfer stets vorgebracht wurde, während die ebenfalls in den Prozeß eingegangene Stellungnahme (statement of interest4) der Regierung sich zu diesem Punkt nicht äußert. Monsantos Beschuldigungen dürften bei der Regierung mit einem Augenzwinkern quittiert werden, dienten sie doch der gemeinsamen Abwehr der Klage und des Anspruchs auf Schadensersatz. Die Frage kam übrigens den Verhandlungen des Prozesses gar nicht erst zur Sprache, weil die Gerichte ja (und nunmehr endgültig) die Klage abgewiesen, also ihre Behandlung überhaupt verweigert haben.5 Monsantos Behauptung ist heute nur noch Teil einer Reinwaschungs-PR und infolgedessen keinerlei Wahrheitsprüfung mehr unterworfen. Auch nicht für die US-Regierung.
Die zweite Maßnahme (der Selbstinterpretation) ist subtiler, wenn auch auf den ersten Blick eher skurril. Sie ist in dem Blogbeitrag bereits angedeutet in der Formulierung, daß Monsanto "damals vor allem ein chemischer Betrieb" gewesen sei, was insinuieren soll, daß Monsanto dies heute nicht mehr ist.
Wer im Internetauftritt der Firma den link "Company History" aufruft, erhält eine Art Tabelle mit wichtigen Daten der Firmengeschichte, an der zunächst auffällt, daß sie in zwei Teile geteilt ist: Wie heute üblich in Rückwärtsform präsentiert, beginnt sie mit "Today's Monsanto- Company" und setzt für das Jahr 2000 eine Zäsur mit dem Titel "Original Monsanto Company". Diese Aufteilung der Geschichte wird so erklärt:
Diese künstliche Konstruktion einer separaten Geschichte der Firma als auf der einen Seite Herbizidhersteller oder pharmazeutischer Betrieb und auf der anderen Seite Hersteller von künstlichem Dünger und gentechnisch verändertem Saatgut ist kaum nachvollziehbar, sehr wohl aber dazu geeignet, sich elegant aus der Verantwortung für z. B. die Produktion von Agent Orange zu stehlen.
Interessant ist ein Blick auf die tabellarischen Geschichtsdaten, die der Konzern veröffentlicht hat. Hier Auszüge (in korrigierter Chronologie):
Wohlgemerkt: Bei der Wiedergabe dieses Ausschnitts wurde kein Datum weggelassen. Da ist man schon erstaunt über die unverblümte Geschichtsklitterung: keine Rede von Agent Orange, keine Rede von der Gefährlichkeit der in den 1960er Jahren entwickelten Herbizide mit Dioxingehalt, keine Rede davon, daß sie später für den Einsatz in den USA verboten wurden.
Unter dem Datum 2000, dem Zeitpunkt der Zäsur, der wunderbaren Verwandlung der Firma, heißt es u-a.: "Eine neue Monsanto-Company entsteht aus der vorherigen landwirtschaftlichen Abteilung von Pharmacia (die im selben Jahr aus einer Fusion mit anderen Firmen entstanden war) als eine eigenständige Tochter, während Pharmacia von dem Konzern Pfitzer übernommen wird."
Rhetorisch, juristisch und im Sinne einer erfolgreichen Manipulation der eigenen Geschichte hat Monsanto also vorgesorgt für das Geschäft in Vietnam: Man hat nichts mehr mit Agent Orange zu tun, und wenn, dann hat man nur die Befehle der US-Regierung ausgeführt. Wenn die vietnamesischen Partner also wollen, haben sie frei Haus geliefert die Argumente, die es ihnen erlauben würden, jetzt Geschäfte mit dieser Firma zu machen und dabei ihr Gesicht zu wahren.
Eine andere Frage ist, wie eine Kooperation mit dem Konzern aus St. Louis, auch abgesehen von historischen oder moralischen Aspekten, aussehen könnte. Vietnam sagt: Die Einführung der Gentechnik ist wünschenswert und notwendig, aber wir wollen sie aus eigener Kraft leisten, uns die nötige Zeit nehmen und eigene Kulturen entwickeln.
Für ein solches Szenario ist Monsanto kein geeigneter Partner. Denn Monsanto ist nicht an selbstloser Entwicklungshilfe interessiert, sondern an einer Ausdehnung seiner Einflußsphäre im weltweiten Ernährungsgeschäft. Vietnam soll nur ein weiterer Markt werden, auf dem man mit seinen Patenten viel Geld verdienen will.
Und selbst wenn Vietnam nicht die Absicht hätte, Monsanto-Produkte zu kaufen (mit all den bekannten Implikationen6), könnte es sein, daß eventuelle eigene Entwicklungen trotzdem unter den Patentschutz von Monsanto fallen würden, und bei solchen Auseinandersetzungen hätte Vietnam ebenso wenig Chancen wie bei der Klage der Dioxinopfer.
Den vietnamesischen Entscheidungsträgern sollte darüber hinaus eine Aussage von Marc Branner zu denken geben. Marc Branner ist "Strategic Value Advisor" in New York, er berät Investoren über das "soziale und Umweltverhalten" von Firmen, in die sie investieren wollen. Er warnt:
Anmerkungen:
1 vgl. den Artikel in diesem Heft
2 VNS 31. 03. 2009
3 Ein Gesetz, das es der Regierung erlaubt, Privatfirmen zur Herstellung und Lieferung bestimmter Produkte, meist Waffen, zu zwingen.
4 Siehe den Artikel von Jürgen Adam in VNK 1/2008
5 Auch die an anderer Stelle des Blogs vorgebrachte Belehrung der Opfer, sie hätten sich gefälligst mit ihrer Klage gegen die US-Regierung wenden sollen und nicht an die Firmen, übersieht oder verschweigt die Tatsache, daß dies unter US-amerikanischem Recht nicht zulässig ist.
6 Siehe den Artikel in diesem Heft
7 Zit. Nach Marie-Monique Robin, S. 346
veröffentlicht im Vietnam Kurier 1/2009
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