vnddc "Unsere vergessene Verantwortung".

Agent Orange-Hearing
vor US-Kongreßausschuß


Stefan Kühner

„Agent Orange / Dioxin: Unsere vergessene Verantwortung. Was können wir tun, um den Opfern von Agent Orange zu helfen?“ - Diesen Titel trug ein Hearing des US-Kongresses, das jetzt mit prominenter Besetzung stattfand. Es ist ein Zeichen dafür, daß die Diskussion um die Verantwortung für den Giftkrieg in den USA immer weitere Kreise erfaßt und in der Öffentlichkeit der Ruf nach Entschädigung und Anerkennung der Schuld, ungeachtet kontroverser juristischer Diskussionen immer lauter wird.

Im Mai 2008 befasste sich ein Unterausschuss des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten von Amerika  ausführlich mit den Spätfolgen des Agent Orange Einsatzes im Krieg der USA gegen Vietnam. Die Anhörung fand vor dem Ausschuß für Asien, Pazifik und weltweite Umweltangelegenheiten (Subcommittee of Asia, Pacific and the Global Environment) statt. Den Vorsitz hatte das Mitglied des Kongresses F. H. Faleomavaega.

Bei dem Hearing kamen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen aus Vietnam und den USA zu Wort. An ihm nahm auch die bekannte Ärztin Dr. Nguyen Thi Ngoc Phuong als Vertreterin der VAVA (Vereinigung der Opfer von Agent Orange / Dioxin) teil und äußerte die Ansicht, daß dieses Hearing in der amerikanischen Öffentlichkeit und innerhalb der Weltgemeinschaft für die notwendige Aufmerksamkeit in Bezug auf Agent Orange / Dioxin und seine Auswirkungen auf die Opfer sorge. Sie fügte hinzu, daß gegenüber den Regierungen und Wissenschaftlern noch viel mehr in der Öffentlichkeit getan werden müsse, um die erhofften Wiedergutmachungen endlich Realität werden zu lassen.

Vor dem Ausschusses berichtete sie über ihre fast vierzigjährige Arbeit als leitende Ärztin der Frauenklinik des Tu Du Krankenhauses in Ho Chi Minh Stadt. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen für sie eindeutig den Schluß zu, daß die Ursachen auf giftige Chemikalien aus der Zeit des Krieges zurückgeführt werden müssen. Seit über 30 Jahren kämpft sie nun zusammen mit Kollegen aktiv, um die Opfer zu unterstützen.1

„Die Folgen für die Opfer sind sehr schlimm. Die Opfer und ihre Familien leben wegen der Krankheiten und Behinderungen unter extrem schwierigen Bedingungen“, sagte sie und fügte hinzu: „Jeden Tag sterben zum Beispiel Opfer, die als Folge von Agent Orange an Krebs leiden.“

Für den stellvertretenden Sekretär für Ostasien und Pazifik-Angelegenheiten des State Departments (Außenministeriums) der USA, Scott Marciel, ist Agent Orange ein lang andauerndes Problem in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern. „Wir verstehen und akzeptieren, daß die Regierung und das Volk Vietnams von den wahrnehmbaren negativen Folgen der Besprühung mit Agent Orange und dem darin enthaltenen Bestandteil Dioxin ernsthaft betroffen sind.“ Er betonte aber auch, daß die Vereinigten Staaten von Amerika keinerlei rechtliche Verantwortung hätten für Schäden, die mit Agent Orange in Verbindung gebracht werden können. „Die USA besteht darauf, daß über die Auswirkungen zudem im internationalen Maßstab in standardisierten wissenschaftlichen Rahmen geforscht werden muß.“ Damit vertrat er die offizielle Meinung der US-Regierung, daß bislang noch keine wissenschaftliche Beweisführung für den Zusammenhang mit den Mißbildungen erfolgt sei.

Frau Dr. Phuong trat dieser Aufassung entgegen: „Die ersten Versprühungen mit Dioxin fanden in Vietnam vor mehr als 40 Jahren statt. Eine irreparabel lange Zeit ist seit den ersten Kontakten mit dem Gift verstrichen. Die Werte von Dioxin im Körper der Opfer halbieren sich innerhalb von 10 Jahren. Es wird also immer schwieriger, die einmal vorhandenen Werte zu rekonstruieren. Die von der US-Regierung geforderten Forschungen, könnten nicht einmal von den USA selbst durchgeführt werden.“

Eines der Probleme bestehe darin, dass ein zuverlässiger Test in einem Labor über 1000 US-$ koste. Vietnam habe keine Chance, die Kosten für die geforderten 40.000 Proben zu finanzieren. „Vietnam bringt aus dem knappen Staatsbudget jährlich 50 Millionen US-$ auf, um den Opfern unmittelbar zu helfen. Die Mittel werden für Sozialprogramme zugunsten der Betroffenen ausgegeben, damit diese ihr tägliches Leben meistern können.“

Frau Dr. Phuong bewertet das Hearing als einen ersten Schritt, als Beginn einer langfristigen und breit geführten Diskussion über die Verantwortung für die Agent Orange-Folgen. Inzwischen aber könne die amerikanische Regierung durch sofortige Maßnahmen den Opfern helfen.

Sie könne etwa den Opfern dabei helfen, ein würdiges und selbständiges Leben zu führen. Dies könne durch medizinische Hilfe, die Unterstützung von Ausbildungsprogrammen sowie der Schaffung von Arbeitsplatzangeboten geschehen.

Zweitens braucht Vietnam dringend Hilfe bei der Entgiftung gefährlicher Regionen. Die Reinigung verseuchter Gebiete könnte verhindern, daß die dort lebende Bevölkerung weiterhin immer noch mit den Chemikalien in Berührung kommt. Ergänzend fügte sie hinzu, daß Präsident Georg Bush ein Gesetz unterzeichnet habe, nach dem Finanzmittel in Höhe von 3 Mio. US-$ für Maßnahmen der Umweltsanierung und der Gesundheitsfürsorge in den so genannten Agent Orange Hot-spots2 bereitgestellt werden. Das Versprechen hatte Bush 2007 während eines Besuchs des vietnamesen Präsidenten Nguyen Minh Triet in Washington DC gegeben. Bislang sei das Geld aber immer noch nicht ausgezahlt worden, weil man sich nicht einig sei, welche Organisationen das Geld erhalten und zur Hilfe für die Opfer verwalten sollen.

Professor Catherin Dalpino von der Georgetown University meinte, der US- Kongreß solle erwägen, selbst Gesetzesinitiativen zu ergreifen, um humanitäre und technische Hilfe für Vietnams AO- Opfer zu organisieren.

Dr. Vaughan Turekian von der American Association for the Advancement of Science empfahl konkrete Schritte. So solle der US-Kongreß in Vietnam ein Dioxin-Labor nach international standardisierten Normen einrichten. Dieses Laboratorium könne Vietnams Wissenschaftler bei der Durchführung von Untersuchungen an Menschen und der Umwelt unterstützen. Es könne außerdem als Ausbildungsstätte für vietnamesische Wissenschaftler dienen.

Anmerkungen:
1 1984 besuchte Frau Dr. Phuong auf Einladung der Freundschaftsgesellschaft Vietnam auch die Bundesrepublik Deutschland. Der Spiegel-Reporter Cordt Schnibben sprach seinerzeit mit ihr und berichtete erstmals in Westdeutschland über die Parallelen zwischen Seveso und Vietnam.
2 So nennt man Orte, an denen früher US-Militärstützpunkte lagen, in denen Agent Orange gelagert wurde. Sie weisen einen besonders hohen Grad der Vergiftung auf.

Quelle: VNS, 08.06.2008

veröffentlicht im Vietnam Kurier 2/2008

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