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Kinder nehmen im Rahmen einer Kampagne gegen den Kinderhandel an einem Malwettbewerb teil.

Eine Provinz prescht vor

Der Kampf gegen Menschenhandel in Vietnam

Grenzpolizei und Sicherheitsbehörden in der Provinz Ha Giang haben angesichts sich häufender Fälle von Menschenhandel und Kidnapping den Kampf gegen äußerst geschickt vorgehende Banden aufgenommen, und zwar nicht nur mit polizeilichen Maßnahmen.

In dieser Grenzprovinz leben viele Angehörige von Minderheiten, so z.B. der Mong. Diese Menschen, vorwiegend Bauern, praktizieren noch die Brandrodung für den Reisanbau: Sie schlagen Bäume und roden neues Land, wenn der Boden ihrer Felder ausgelaugt ist. Sie sind in gewisser Hinsicht noch Nomaden, obwohl seit Jahren versucht wird, sie seßhaft zu machen. Dies ist oft nur zum Teil gelungen. Das sieht dann so aus, daß die Familien zwar in festen Häusern und Dörfern wohnen, die Felder aber immer weiter davon entfernt liegen. Diesen Zustand nutzen die Kidnapper aus, ihre Opfer sind sehr oft Frauen, die allein und weit von den Dörfern entfernt ihre landwirtschaftliche Arbeit verrichten.

Die Gründe für den Menschenhandel, der vor allem Frauen und Kinder trifft, sind einfach: Entweder die Frauen werden verschleppt und in China zu einer Ehe mit einem chinesischen Mann gezwungen, für den sie hart arbeiten müssen, oder sie werden in ein Bordell gebracht und zur Prostitution gezwungen. Oft werden Frauen und vor allem Kinder aber auch nur entführt, um als billige, in der Regel kostenlose Arbeitskräfte ausgebeutet zu werden. Wenn es sich um Frauen handelt, müssen sie den Tag über hart arbeiten und sich am Abend dem Mann, der sie gekauft hat, hingeben. Sie erhalten keinen Lohn, dürfen das Haus nicht verlassen und werden schlecht versorgt.

Wenn Frauen allein auf einem Feld angetroffen werden, haben sie keine Chance gegen die bewaffneten Entführer. Inzwischen praktizieren die entsprechenden kriminellen Banden eine transnationale Arbeitsteilung: Die chinesischen Gruppen sind für die Entführung über die Grenze und den Verkauf in die chinesischen Grenzprovinzen verantwortlich, während ihre vietnamesischen Komplizen die Aufgabe haben, die Opfer auszukundschaften und im richtigen Moment zuzugreifen. Zu diesem Zweck werden über längere Zeit deren Lebensgewohnheiten bzw. Arbeitszeiten beobachtet, um zu erfahren, wann sie regelmäßig allein irgendwo auf den Feldern sind. Voriges Jahr wurden zwei Angehörige der Mong Minderheit vor Gericht gestellt, die auf frischer Tat bei der Entführung einer Frau nach China an der Grenze aufgegriffen worden waren. Dem Opfer war es gelungen, Nachbarn zu informieren.

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Kinder aus ethnischen Minderheiten, die in der Nähe von Grenzübergängen leben, sind besonders gefährdet.

Aber in der Regel ist die Polizei machtlos, weil die Banden sehr vorsichtig vorgehen und die Entführung nur dann stattfindet, wenn wirklich keine Zeugen vorhanden sind. Das Ausmaß der Probleme und die Schwierigkeit, diese Verbrechen zu bekämpfen, wurde deutlich, als Fälle aufgedeckt wurden, in denen Täter und Opfer derselben Familie angehörten. Es muß dabei bedacht werden, daß hier manchmal nicht ausschließlich kriminelle Energie oder Geldgier die bestimmenden Motive waren, sondern häufig schlichte Armut, die es einigen Familienmitgliedern als einzigen Ausweg erscheinen ließ, die eigene Schwester oder Kusine zu verkaufen.

Hauptmann Dang Quang Huy, politischer Offizier der Grenztruppen der Ha Giang Provinz, kommt auf ein Problem zu sprechen, das neu und erst seit einiger Zeit zu beobachten ist: die Entführung von Kindern und Jugendlichen.

„Kinder werden gekidnappt und von chinesischen Familien mit einem mittleren Einkommen gekauft, die wenige oder keine Kinder haben.“ Es handelt sich dabei um eine Art Zwangsadoption, deren Opfer es immer noch ein wenig besser haben als diejenigen, die als reine Arbeitskräfte verkauft werden. „Für ein Kind müssen die chinesischen Käufer zwischen 20 und 30 Mio. Dong bezahlen. Der Preis hängt von der körperlichen Verfassung und der Intelligenz des Kindes ab. Für Frauen, die meist zwischen 17 und 30 Jahre alt sind, muß der Käufer auch etwa 20 Mio Ding bezahlen. Der Preis hängt auch davon ab, ob der Käufer eine Frau oder eine Arbeitskraft kaufen will.“ Nach dem Abschluß des „Geschäfts“ spielt jedoch meistens dieser Unterschied keine Rolle mehr: die Frauen müssen beides sein.

Bei den Kindern sind die Opfer meistens Jungen, sie werden aus Gemeinden entführt, die nahe an einem der Grenzübergänge in den Distrikten Dong Van, Yen Minh oder Meo Vac liegen. Ein örtlicher Grenzpolizist berichtete von einem Fall, in dem die Kidnapper ein einjähriges Kind wieder ausgesetzt hatten, als sie bemerkten, daß es ein Mädchen war. Die Kinder werden meistens direkt aus den Häusern gestohlen. Die Kidnapper erschleichen sich den Zugang unter einem Vorwand, bemächtigen sich des Kindes in einem günstigen Moment und bedrohen die Familie: Wenn sie zur Polizei gingen, würden Mitglieder der Familie getötet werden.

Im Dezember letzten Jahres drangen zwei Maskierte in das Haus von Ho Mia Dia ein, in dem Dorf Seo Lung im Distrikt von Lung Cu. Die Mutter war allein mit ihrem einen Monat alten Sohn. Die Kidnapper zwangen die Mutter, ihr das Kind zu geben und flohen. Obwohl sie sofort zur Polizei ging, gelang es nicht, die Entführung über die Grenze zu verhindern.

Pro Jahr entdeckt die Grenzpolizei zwischen 20 und 40 Fälle von Entführungen. Diese Zahl repräsentiert nicht die wirkliche Häufigkeit von Fällen der Entführung und des Menschenhandels. Sie verweist aber darauf, daß Polizei und Grenztruppen immer mehr Fälle aufdekken und die Schuldigen ihrer Bestrafung zuführen. Aber man hat in der Provinz auch erkannt, daß polizeiliche Maßnahmen nach Vollzug der kriminellen Tat, auch wenn sie immer erfolgreicher sind, nicht ausreichen, um dieses Übel zu bekämpfen. Deswegen setzt man auch auf vorbeugende Aktionen. Vor allem in den Schulen wird jetzt versucht, die Kinder und ihre Eltern vor der Gefahr zu warnen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Kinder und Frauen schützen können: nicht allein aufs Feld gehen, die Schulwege der Kinder überwachen, niemand ins Haus lassen, den man nicht kennt. Letztlich sehen manche Beobachter auch in der immer noch praktizierten Brandrodung einen Grund für die Verletzbarkeit dieser sozialen Verhältnisse. Auch die Bekämpfung der Armut würde sicher auf die Häufigkeit solcher Verbrechen einen positiven Einfluß haben.

Quelle: VNS 28.4.08, Übersetzung und
Bearbeitung Günter Giesenfeld

veröffentlicht im Vietnam Kurier 2/2008

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