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Mein eigenes Haus!

Kurzgeschichte von Nghiem Luong Thanh

Ein Mann ist kein Mann, wenn er nicht in der Lage ist, ein eigenes Haus zu erwerben, um darin zu wohnen, zu arbeiten, seine Kinder zu aufzuziehen, seine gute Ehefrau zu unterhalten, für seine hinfälligen alten Eltern zu sorgen und nicht zuletzt die Zeremonien zum Gedenken an seine ehrwürdigen Ahnen abzuhalten.

So dachte ich. Aber so einfach ist das nicht. Keiner weiß, wie unser Gemüt wirklich funktioniert, nicht einmal der berühmte Erzähler Nam Cao wüsste das, wenn er noch lebte. Schließlich fand ich doch noch ein eigenes Haus – aber die Suche dauerte sehr viel länger und war sehr viel anstrengender als ich erwartet hatte.

***

Meine Eltern waren als Bauern geboren und aufgewachsen. Sehr wichtig in ihrem Leben war der Reis, dessen Anbau sie ihr Leben verschrieben hatten, aber noch mehr bedeutete ihnen unsere Erziehung. Mit viel Mühe schafften sie es, auf dem Stück Land, das ihnen meine Großeltern väterlicherseits hinterlassen hatten, ein großes Holzhaus zu bauen. Darüber hinaus ermöglichten sie uns eine qualifizierte Ausbildung. Ich schloss mit einem BA in Journalismus ab, meine jüngere Schwester konnte einen – wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage meiner Familie kostenfreien – IT-Studiengang an der Militär-Akademie absolvieren. Die Nachbarn in unserem Dorf kamen, um uns zu unseren hervorragenden Leistungen zu gratulieren.

„Wenn ihr später eine gute Stelle in der Stadt findet, dann bleibt dort und kommt nicht hierher zurück“, riet uns unser Vater. „Und gebt nichts darauf, wenn irgendjemand üble Gerüchte über euch in die Welt setzt. Nur tut niemandem Übles.“

„Euer Vater hat recht!“, fiel meine Mutter ein, „Hauptsache, ihr werdet glücklich!“

Als ich gerade meinen Universitätsabschluss erreicht hatte und meine Schwester noch im zweiten Studienjahr war, starb mein Vater. Das erschütterte meine Familie aufs Äußerste, und meine Schwester war so niedergeschlagen, dass sie ohne unsere flehentlichen Bitten ihr Studium abgebrochen hätte. Zum Glück fand ich einen gut bezahlten Job bei einer bekannten Zeitung. Das und die Sparsamkeit meiner Mutter bewahrten unsere Familie vor dem Ruin. Als geschickter und wendiger Reporter übernahm ich bald das Ressort Familie. Und nach einigen einschlägigen Workshops lieferte ich regelmäßig Beiträge für Radio- und Fernsehsendungen. Ich war stolz auf diese Erfolge und arbeitete an meiner beruflichen Weiterentwicklung.

Dank ihrer unschuldigen schwarzen Augen, ihres süßen Lächelns und ihres Fleißes hatte meine Schwester viele Verehrer; nach ihrem Studienabschluss heiratete sie einen von ihnen. Als Militärangehörige im Offiziersrang bekamen die beiden ein kleines Grundstück zugeteilt, auf dem sie ein Häuschen bauten. Ich hingegen musste, obwohl ich als viel klüger galt als meine Schwester, im 30-Quadratmeter-Haus meines Freundes Loi in der Hang-Hom-Strasse unterschlüpfen.

Eines Tages schlug meine Schwester mir vor, unsere Mutter zu besuchen, um sie zum Verkauf ihres Hauses auf dem Dorf zu überreden. „Wir können zusammenlegen, um ein kleines Haus in der Stadt zu kaufen, und dann kann Mutter dort wohnen, so dass wir uns um sie kümmern können”, erklärte sie. „Ich will dir helfen, indem ich dir meine Ersparnisse leihe, und du kannst mir das Geld irgendwann zurückzahlen – vorausgesetzt, du veranstaltest eine üppige Einweihungsparty.“

Und tatsächlich verkaufte meine Mutter ihr Haus und lebte dann bei ihrer Tochter und deren kleiner Familie. Zu dieser Zeit hatte ich eine Freundin. Obwohl wir uns schon über zwei Jahre kannten, konnten wir nicht ans Heiraten denken, weil es uns nicht gelang, ein Haus zu finden.

Ich versuchte alles. An Urlaubstagen und in meiner Freizeit streifte ich durch die Stadt, die Außenbezirke und sogar durch viele nahegelegene Siedlungen auf der Suche nach einem angemessenen Heim für unser künftiges Eheleben. Manchmal fand ich ein komfortables Haus – aber es fehlte die Baugenehmigung, dann schien eine anderes perfekt – aber es war zu teuer. Manchmal wurde mir ein Objekt zu einem vernünftigen Preis angeboten – aber sein Besitzer war bankrott, oder es erfüllte nicht die Feng-Shui-Regeln. Es war hoffnungslos.

„Du darfst nicht zu wählerisch sein“, riet mir meine Schwester. „Im Moment hat für dich die Ehe höchste Priorität, am besten heiratest du deine Liebste so bald als möglich.“

Wir folgten ihrem Rat und heirateten innerhalb von zwei Wochen.

Nach diesem großen Ereignis – vermutlich das bedeutendste in meinem Leben – erlaubte man meiner Frau und mir, vorübergehend mein Büro als Schlafzimmer zu nutzen. Abends, nachdem meine Kollegen unsere Arbeitsstätte verlassen hatten, rückten wir die Schreibtische zusammen und machten darauf unser Bett. Am nächsten Morgen standen wir sehr früh auf, um alles wieder aufzuräumen.

Bald war meine Frau schwanger. Ich war glücklich und besorgt zugleich. „Wird es für unser Kind ein Heim geben, wenn es zur Welt kommt?“, fragte ich mich. Inzwischen war meine Mutter aufgrund ihres hohen Alters sehr schwach geworden. Ich war sehr traurig darüber, dass ich nicht in der Lage war, für sie zu sorgen. Also nahm ich meine Suche nach einem Wohnsitz wieder auf, suchte mit vollem Einsatz hier und dort und überall. Ich ging jedem Hinweis nach, jedem Tipp, drehte jeden Stein um. Dann eines Tages, als ich durch eine enge Gasse lief, bemerkte ich an der Eingangstür eines kleinen Bungalows einen großen, fleckigen Zettel mit der Aufschrift in großen Druckbuchstaben: ZU VERKAUFEN. Tatsächlich hatte ich diesen Zettel schon geraume Zeit vorher bemerkt, ihm aber keine Aufmerksamkeit geschenkt, weil ich annahm, dieses Haus würde mehr kosten als ich erübrigen konnte. Dieses Mal aber blieb ich vor dem Haus stehen. „Warum sollte ich mir das nicht mal anschauen?”, redete ich mir selbst zu, „Zumindest bekomme ich so eine Vorstellung darüber, was so ein Haus wie dieses kosten kann.“ Ich klopfte an.

Der Preis, den mir der Besitzer nannte, und die Eigentumsurkunde, die er mir zeigte, überraschten mich sehr.

„Wie bitte?“ – Ich konnte es nicht glauben, bat ihn, es zu wiederholen.

„Wie gesagt, alle Dokumente sind in Ordnung und der Preis ist günstig”, wiederholte er mit breitem Lächeln. „Wenn Sie mein Angebot annehmen, übertrage ich, im Gegenzug zur vollständigen Bezahlung, das Eigentumsrecht auf Sie.“

„Ich muss mich mit meiner Mutter beraten; morgen komme ich wieder“, antwortete ich.

Als ich Loi von dem Haus erzählte, brach er in Lachen aus: „Völliger Blödsinn! Willst du mich veräppeln? Für so ein Haus in dieser Lage? Es kostet mindestens das Doppelte – wenn das reicht!“

„Ich würde dich nie belügen, das schwöre ich!“, erwiderte ich.

„Gut, morgen hast du frei, da können wir versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen“, sagte er. Er konnte sehen, dass ich müde war, so lenkte er ein.

Es fand sich kein Grund zur Sorge. Der Hauseigentümer war ein gebildeter ehrlicher, wohlhabender Mann. Das Grundstück lag nicht in einer neuen Planungszone städtischer Entwicklung, sondern in der Altstadt. Aber ein Punkt machte uns Kopfzerbrechen, und das war der niedrige Preis! Wir suchten nach Gründen: Entweder befand sich die Familie in einer verzweifelten Lage, oder es spukte in dem Haus. Oder, schlimmer noch, ein Familienmitglied hatte Selbstmord begangen. Aber unsere Nachforschungen ergaben, dass keine dieser Befürchtungen zutraf. Und ich brauchte dringend ein Heim für meine hinfällige Mutter und meine schwangere Frau. „Wer zögert, verliert!“, sagte ich mir.

Nach Abschluss des Geschäfts steckte ich den alten Messingschlüssel tief in meine Hosentasche und ging wohlgemut nach Hause. Der Eigentümer hatte mir aus Mitgefühl für meine Lebensumstände ein Sofa und zwei Sessel, ein Bett und eine vollständige Kücheneinrichtung überlassen. Alles, was ich noch kaufen musste, war ein schmales Bett für meine Mutter und einen großen Kleiderschrank für die ganze Familie. Bevor ich meine Mutter und meine Frau zu unserem neuen Haus brachte, putzte ich gründlich. Als ich dann den zufriedenen Blick meiner Mutter angesichts des gepflegten Familienaltars und der ordentlichen Küche sah und beobachtete, wie meine Frau ihren runden Bauch streichelte und sagte „Mein liebes Baby, jetzt haben wir ein schönes, gemütliches Heim“ – da war ich sehr glücklich.

„Du musst eine Einweihungsparty geben, damit wir dir zu deinem neuen Heim gratulieren können“, sagte einer meiner Kollegen.

„Natürlich, sobald wir uns eingerichtet haben“, antwortete ich.

An diesem Festtag kamen unsere Verwandten aus entlegenen Dörfern mit vielen Geschenken angereist – einigen Hühnern, ein paar Säcken Klebreis, vielen Reiskuchen und mehreren Flaschen Reiswein. Meine Freunde und Kollegen kamen mit Blumen und Whiskey, Champagner und Wein. Bis spät am Abend erhoben wir immer wieder unsere Gläser mit Wein und Schnaps, tranken auf ein gesundes Kind sowie auf Wohlstand und Glück für uns als frischgebackene Hausbesitzer.

Meine Frau nahm erst einen Tag vor der Entbindung Urlaub, damit sie danach längere Zeit mit ihrem Baby verbringen konnte. An den Wochenenden versuchte ich, unser Nest noch gemütlicher zu gestalten mit bunter Dekoration. Bald wurden unsere Träume wahr: Meine Frau kam mit einer Tochter nieder. Ich beantragte unbezahlten Urlaub und pendelte zwischen unserem Haus und der Entbindungsklinik hin und her, um sowohl meine hinfällige Mutter als auch meine geschwächte Frau zu umsorgen.

Eine Woche darauf holte ich meine Frau und unser Kind im Taxi ab.

Meine Mutter war krank und hütete das Bett, meine Frau trug dicke Kleider und Strümpfe, und unser Baby schrie fast die ganze Nacht durch. Ich war völlig ausgepumpt. Zusätzlich zur täglichen Hausarbeit wusch ich die Wäsche für uns alle, ging zum Markt, um Gemüse und andere Lebensmittel einzukaufen, spülte das Geschirr – alles Dinge, die ich während meiner Kindheit nicht zu tun brauchte.

***

Es war schon Frühling, aber noch feucht und kalt, unangenehmes Rheuma-Wetter. In den ersten Nächten in unserem neuen Haus begann nach 10 Uhr unsere kleine Tochter zu weinen, während ich die Beine meiner Mutter massierte. Ich versuchte, meiner erschöpften Frau zu helfen, das Baby in den Schlaf zu wiegen. Es war seltsam: Sobald ich sie ins Bett legte schrie unsere Tochter laut, aber wenn ich sie auf den Arm nahm und herumlief, wurde sie ruhig. So blieb ich, das Kind auf dem Arm, fast die ganze Nacht auf. Meine Mutter drehte sich im Bett hin und her, ein Zeichen, dass sie nicht schlafen konnte. Aber sie klagte nicht. Um drei Uhr morgens war meine Tochter in meinen Armen eingeschlafen. Ich legte sie vorsichtig neben ihre Mutter ins Bett, die mich drängte: „Schlaf noch ein wenig, sonst wirst du noch krank wie Mutter oder ich.“ Ich nickte und legte mich hin, in der Hoffnung, ein bisschen Ruhe zu finden.

Plötzlich weckte mich ein lautes Getöse. Allmählich wurde mir klar, dass dieser Höllenlärm aus dem Lautsprecher kam, der an dem Lampenpfosten vor meinem Haus hing. Ich schaute auf die Uhr. Es war noch sehr früh am Morgen. Meine Mutter stöhnte leise, und meine kleine Tochter fing an laut zu weinen. „Lass sie mich in den Schlaf wiegen, während du eine Weile die Beine deiner Mutter massierst“, schlug meine Frau vor. Das Kind schrie immer lauter und schriller, aus dem Lautsprecher dröhnte lärmende Musik – und dann wurde eine von mir vor kurzem geschriebene Story vorgelesen. Sie kam mir ungeheuer laut und langatmig vor. In dem Moment hasste ich meinen Artikel – und mich selbst. Als die Geschichte zu Ende war, ertönte laut und blechern Marschmusik. Meine Mutter stöhnte lauter und mein kleiner Engel schrie noch verzweifelter …

„Heute Nacht wird das gleiche passieren. Und morgen früh wird es genauso sein wie an diesem Morgen. Das Gleiche übermorgen, und so weiter und so fort. Wird das wirklich ewig so weiterge­hen?“, fragte ich mich. Je mehr ich darüber nachdachte, desto schlimmer schien mir diese unausweichliche Zukunft. Während ich noch über die Nachwirkungen dieses Lärmkriegs nachdachte, wurde mir plötzlich klar: wie hoch der Preis für dieses Haus in Wirklichkeit war. Vor meinem geistigen Auge erblickte ich wieder diesen fleckigen, staubigen Zettel: ZU VERKAUFEN, verstand und war verzweifelt zugleich.

Quelle: My own house, VNS 21.4.2013,
übersetzt von Marianne Ngo
nach der englischen Fassung von Van Minh
Illustration: Zeichnung von Bui Xuan Phai "Die Hang-Ngang-Straße"

Veröffentlicht in: Viet Nam Kurier, 2/2013

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