Der Imker
Eine Erzählung von Ma Van Khang

Gegen Morgen wurde die Luft drückend schwül. Huyen, mit Atemnot erwacht, fühlte sich, als ob jemand die ganze Nacht auf ihrer Brust gehockt hätte.

Darauf bedacht, ihre Tochter nicht zu wecken, stand sie behutsam auf, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und schaute in die feuchte Dämmerung hinaus. Wolken verdeckten den Himmel, einige dick und schwarz, andere heller.

Sehnsüchtig erwartete sie das Losbrechen des Sturms; noch nie hatte sie so ein Verlangen nach Regen auf ihrer Haut verspürt wie an diesem Morgen.

Wenn es nur sofort regnen würde, dann könnten vielleicht ihre Blumen, nun welk und verdorrt, erneut aufblühen.

Ihre Nachbarn im Bezirk Dak Ha glaubten, sie verliere den Verstand. Der Kaffeepreis war in den letzten beiden Jahren dramatisch gefallen, doch während alle anderen ihre Kaffeepflanzen aufgegeben hatten, fuhr sie fort, die ihren mit einem Eifer zu pflegen, der an Besessenheit grenzte.

Bei ihrer Ankunft im Dorf vor neun Jahren, war das Land genauso brach gelegen wie ihr Herz. Sie war unverheiratet schwanger, eine schwere Sünde in den Augen ihrer neuen Nachbarn.

Zur Überraschung der Einheimischen zog Huyen sich keineswegs ins Haus zurück, sondern arbeitete wie ein Büffel, um ihr Heimweh zu vertreiben und die Scham, verlassen worden zu sein.

Das Land, das sie bestellte, war fruchtbar, und wenn sie es umgrub, sah es so rot aus wie Blut.

Die von ihr gesetzten Kaffeepflanzen schlugen Wurzeln, wuchsen schnell und stark heran.

Als ihre Tochter Thuong fünf wurde, sagten die Einheimischen zu Huyen, sie sei dazu bestimmt, reich zu werden.

Ihre Vorhersagen erwiesen sich als wahr, und es dauerte nicht lange, bis ihre Sträucher Früchte trugen und die Händler in Scharen in ihren Garten kamen.

Innerhalb eines Jahrzehnts schuf sie eine außerordentlich erfolgreiche kleine Plantage.

Ihre Reputation wuchs in der Umgegend, und gerade als sie dachte, ihr Leben sei sicher geordnet, tauchte der Vater ihres Kindes wieder auf.

Zehn Jahre war er weg gewesen, und nun stand er da, brachte eine Reihe von Entschuldigungen für seine Abwesenheit vor und erhob frech Anspruch auf Thuong.

Um ihrer Tochter willen willigte Huyen ein, ihn wieder aufzunehmen.

Die ersten paar Monate nach seiner Rückkehr widmete er jede Minute der Pflege von Huyens Kaffeesträuchern.

Mit Geld und einem Ehemann versehen, fühlte Huyen die Bürde des letzten Jahrzehnts von ihren Schultern genommen. Es war fast so, als ob sie wieder jung wäre.

Mitten unter den Sträuchern stand sie, hob einen Zweig an, roch daran und wandte sich mit einem Lächeln ihrem Mann zu: „Es riecht fast wie Grapefruit-Blüten.“

„Es riecht eher nach Geld“, antwortete er albern lachend, umarmte sie heftig und barg seinen Kopf an ihrer Brust, genauso wie er es vor all den Jahren unter dem Blätterdach des Gummibaumwaldes getan hatte.

Schmetterlinge flatterten um sie herum, einige taumelten sanft gegen ihr Gesicht.

Die Ankunft der Schmetterlinge kündigte die bevorstehende Blüte der Kaffeepflanzen an. Wenn die Blüten dann welkten, würden die Schmetterlinge wieder verschwinden.

Sich in der Umarmung ihres Mannes räkelnd fragte sie ihn, warum dies so sei. Er als Agraringenieur müßte doch Bescheid wissen. Er zeigte ihr die Kokons in den Kaffeesträuchern und erklärte, die Schmetterlinge kämen, um Nektar zu saugen und „zusammen eine vergnügte Zeit zu verbringen“, bevor das Weibchen daran ginge, Eier zu legen.

Er brach seine Erklärungen ab, weil er sie grinsen sah. Als ihm klar wurde, worüber sie lachte, errötete er und beschwerte sich über so eine dumme Frage, dann barg er sein Gesicht erneut an ihrer Brust.

Als die Sträucher in voller Blüte standen, kam ein Fremder namens Dao und fragte, ob er ihren Garten für seine Bienenzucht pachten könne.

Instinktiv wollte sie ihn zurückweisen. Sie mochte Bienen nicht wegen ihrer Art, den Nektar ohne eine Spur von Loyalität oder eine Geste der Dankbarkeit aus den Blüten zu saugen, um dann sofort, wenn sie bekommen hatten, was sie wollten, davonzufliegen.

Ihr Mann, nach seiner Meinung gefragt, strahlte übers ganze Gesicht. Er war begierig darauf, das Land zu verpachten, und erklärte ihr, sie würde einen Wächter für den Garten bekommen und dazu noch die Befruchtungs­chancen für ihre Pflanzen erhöhen.

So ließ sich der Imker nieder, indem er im Garten neben seinen Bienenstöcken eine provisorische Küche errichtete und zwischen zwei Bäumen eine Hängematte, beschirmt von einer Zeltplane, aufspannte.

Nun horchte sie im Garten auf die Bienen und schmunzelte für sich, wenn sie schwankend in der Luft taumelten, benommen vom Nektar.

Bald war der Kaffee erntereif. Die Bohnen waren größer und besser ausgebildet als Huyen erwartet hatte. Sie konnte nicht sagen, ob dies den Bienen zu verdanken war oder nicht.

Aber der Markt spielte ihr einen grausamen Streich. Der Kaffeepreis stürzte ins Bodenlose, bis das Kilo nicht einmal so viel wert war wie die gleiche Menge Reis.

Im ganzen Dorf gerieten die Familien in panischen Schrecken, klagten zu Gott, wofür sie so gestraft würden.

Doch während ihr Mann zu denen gehörte, die das Schicksal verfluchten, teilte Huyen den Zorn der Gemeinde nicht, sie fühlte kaum mehr als eine gewisse Enttäuschung.

Trotz des Preisverfalls waren ihre Verluste gering, weil sie sich entschieden hatte, nicht mit fremder Arbeitskraft zu wirtschaften.

Wirklichen Schaden erlitten in der Region die Plantagenbesitzer, die sich in einen verschwenderischen Lebensstil gestürzt und das Geld für Luxusautos und neue Häuser hinausgeworfen hatten.

Huyen folgte der Aufforderung ihres Mannes nicht, den Garten zu verkaufen und ein größeres Haus in der Stadt zu erwerben. Wütend beschuldigte er sie der Rückständigkeit.

Als er Direktor einer staatlichen Farm gewesen war, hatte er überall als fähiger, flexibler Mann gegolten. Vielleicht hatte er recht, überlegte Huyen.

Nicht daran gewöhnt, mit ihm gemeinsam Entscheidungen zu treffen, schwieg sie angesichts seiner Vorwürfe.

Am nächsten Morgen war er weg, aber sie nahm an, er werde in einigen Tagen zurück sein. Als sie jedoch den Kasten, in dem sie ihre Ersparnisse aufbewahrte, leer fand, erkannte sie, daß er sie verlassen hatte.

Sie fiel in Ohnmacht. Als sie Stunden später wieder zu sich kam, fand sie den Imker an ihrer Seite sitzen.

Er sagte behutsam: „Ich hörte deine Tochter Thuong um Hilfe rufen und rannte so schnell ich konnte hierher. Ich weiß nicht, was passiert ist …“

Ohne zu antworten, wandte sie ihre Augen voller Verzweiflung zur Zimmer­decke.

Die Kaffeepflanzen welkten, die Gummibäume begannen zu blühen. Die Zeit verging, und dann verloren auch die Gummibäume ihre Kraft, aber der Imker war immer noch da, obwohl sein Vertrag ausgelaufen war.

Huyen lag niedergeschlagen im Bett. Der Imker kam in ihr Zimmer und legte seine bebende Hand auf ihre Stirn.

Sie drehte sich zu ihm herum und fragte, was aus seinen Bienen würde, wenn er hier bliebe.

Er antwortete, sie solle sich keine Sorgen um ihn machen, die Bienen würden anderswo Nektar finden, und er würde erst gehen, wenn sie bei besserer Gesundheit sei.

Er ermutigte sie, das Bett zu verlassen, und seinem Rat folgend, rappelte sie sich auf und ging trotz ihrer Kopfschmerzen hinaus in den Garten.

Er bereitete ihr aus Honig ein Getränk zu und erklärte jetzt sei die beste Jahreszeit dafür, weil die Bienen eine bestimmte Pflanze anflögen, die 40 Kilometer entfernt wachse.

Thuong stand bei ihnen, merkte, daß ihre Mutter verstört aussah, und fragte, warum sie Tränen in den Augen habe. Huyen erwiderte: „Mir tun die Bienen leid.“

Thuong ergriff ihre Hand und sagte: „Ich wünschte, unser Garten wäre riesengroß und voller blühender Blumen.“

Auf Huyens Frage, was sie damit sagen wolle, antwortete Thuong, daß dann die Bienen nicht mehr so weit fliegen müßten, um Nektar zu finden.

Huyen und der Imker lachten darüber.

Danach gefragt, hätte Huyen den genauen Zeitpunkt nicht nennen können, in dem sie sich in den Mann verliebt hatte, der in ihrem Garten lebte.

Jeden Morgen lauschten sie gemeinsam im Garten den Bienen, die sich mit einem Geräusch wie Donnergrollen näherten. Waren die Bienen weggeflogen, legte sich eine solche Stille über den Garten, daß sie das Gefühl hatte, er sei vollständig geleert worden.

Als die Trockenzeit sich dem Ende zuneigte, waren die Bienen gezwungen, noch weiter zu fliegen, um Nektar zu finden.

Huyen fühlte eine tiefe Traurigkeit, wenn sie sie ausgepumpt zurückkehren sah; einige drehten sich schwankend in der Luft, bevor sie zu Boden fielen, unbemerkt vom Rest des Bienenvolks.

Eines Abends versank die Sonne blutrot hinter dem Horizont. Als die Bienen zurückkehrten, bemerkte Huyen überrascht, daß sie sich nicht direkt ihren Stöcken zuwandten. Sie flatterten unsicher herum, viele von ihnen strandeten auf dem Boden, ihre Flügel zuckten schwächlich auf der kalten, grauen Erde.

Der Imker beugte sich hinunter, hob eine auf und setzte sie auf seine Hand. Er sah, wie ein Ruck durch sie ging; sie starb, während ein Tropfen dicken Honigs aus ihrem Körper austrat.

Erschrocken tupfte er den Zeigefinger in den Honigtropfen und verstrich ihn auf seinem Handrücken. Sekunden später erschienen auf der Haut kleine rote Flecken, wo die Substanz ein leichtes Brennen verursacht hatte. Der Honig war vergiftet.

Als Huyen am Morgen darauf den Bienenstock öffnete, erschrak sie über den eigentümlichen, unregelmäßigen Flügelschlag der Bienen.

In einer Wolke umschwirrten sie ihre Königin und stiegen höher und höher auf.

Der Imker geriet angesichts ihres unberechenbaren Verhaltens in Panik, zog sein Hemd aus, um sie zu ihm hin zu locken, aber vergeblich.

Das gleiche geschah, als der zweite Stock geöffnet wurde. Huyen fragte ihn, was sie tun könnten; ihre Stimme verriet ihre Betroffenheit.

Er stieß einen tiefen Seufzer der Enttäuschung aus: „Ich werde sie wegbringen müssen, es bleibt keine andere Möglichkeit.“

„Vielleicht sind sie hungrig. Soll ich ihnen ein bißchen Zucker holen?“, fragte sie besorgt.

Er schwieg einen Augenblick, dann schüttelte er leicht den Kopf.

Als sie auf seine vorstehenden Wangenknochen und dann in seine eingefallenen Augen blickte, konnte sie seine Traurigkeit spüren.

Ihr wurde klar, daß er in kurzer Zeit gegangen sein würde, und ihr Herz krampfte sich zusammen.

Monatelang war sie krank gewesen, aber dank seiner Fürsorge und Aufmerksamkeit hatte sie sich langsam erholt.

***

Nun dachte sie sich in jene Nacht im letzten Jahr zurück, in der ihren traumlosen Schlaf ein ferner Donner unterbrach.

In Einklang mit dem Wechsel des Wetters fühlte sie sich neu belebt. Sie war dabei, wie eine Knospe durch die Erde zu brechen.

Plötzlich sorgte sie sich um ihn, draußen im Regen. Sie richtete sich schnell auf, machte die Lampe neben dem Bett an und saß reglos da, angestrengt nachdenkend.

Die Luft wurde immer stickiger. Thuong schlief noch, ihr Gesicht strahlte vollkommene Ruhe aus.

Huyen stand auf und lief leise auf die vom Moskitonetz überspannte Hängematte zu.

Beim Grollen des Donners zitterten ihre Beine, als wollten sie unter ihr wegknicken, und sie lehnte sich haltsuchend an einen Baum.

Sie riß sich zusammen, eilte zur Hängematte, zog das Moskitonetz beiseite und rüttelte Dao, um ihn aufzuwecken. Als er seine Augen öffnete, konnte sie sehen, daß er dies am wenigsten erwartet hätte.

Sich fassend, forderte sie ihn entschieden auf, im Haus Schutz zu suchen.

Dao dankte ihr, sagte aber, er würde unter seiner Zeltplane ausreichend geschützt sein.

Auf diese Antwort hin von einer Welle des Selbstmitleids überflutet, brach sie in Tränen aus. Der Regen machte sie wahnsinnig. Dao schälte sich aus der Hängematte heraus und drängte sie mit der Warnung, sie würde krank werden, wenn sie auch nur noch einen einzigen Moment länger draußen bliebe, zum Haus hin.

Aber Huyen ignorierte ihn, blieb bewegungslos vor seinem bescheidenen Unterstand stehen. Wie Statuen standen sie einander gegenüber, tauschten stumme Blicke unter dem unbarmherzigen Regen und den zuckenden Blitzen.

Dao sah das entschlossene Glitzern in ihren Augen, nahm sie beim Arm und führte sie zum Haus.

Bevor er sichs versah, wies sie ihn an, seine nassen Kleider auszuziehen und brachte eilends ein Handtuch für ihn.

Er stand reglos mitten im Zimmer. Zitternd bewegte er sich gehorsam zum Bett hin, wo sie seinen Körper mit Mentholbalsam einrieb.

Zuerst strichen ihre Finger vorsichtig über seine Haut, aber nach und nach wurden ihre Berührungen fester und zuversichtlicher.

An seiner Brust angelangt, hielten sie plötzlich ein, und Dao fühlte ihre bebenden Fingerspitzen.

Sie spürte ihre Lebenskräfte erwachen und vergessene Gefühle heiß auflodern.

Ohne sich seiner Einwilligung zu versichern, zog sie ihn in eine heftige Umarmung. In ihren Armen fühlte er sich wie ein Vulkan unmittelbar vor dem Ausbruch.

Mit zusammengebissen Zähnen kämpfte er gegen seinen schnellen Herzschlag an, um seine Leidenschaft zu bezwingen.

Huyen schloß die Augen, es kam ihr vor, als ob ein Eisblock in der brennenden Sonne eines aufregenden neuen Tages voller unerhörter Möglichkeiten schmelze.

Aber da riß ein Windstoß die Tür weit auf und fegte den Regen ins Haus. Dao sprang auf und jagte in den Sturm hinaus.

Als sie seinen Rücken in die Nacht verschwinden sah, schwappte eine Welle der Erschöpfung über Huyen, und sie meinte, in einen Abgrund zu stürzen.

Sie verfluchte ihn, seine Feigheit, und die Gleichgültigkeit des Sturms, der ihn zunächst in ihre Arme und dann weggetrieben hatte.

Die Morgendämmerung war noch nicht angebrochen, als sie an der Tür ein Klopfen und ein unterdrücktes Rufen hörte. Schaudernd zog sie die Bettdecke über den Kopf.

Sie lag da bis zum Mittag, als Thuong ins Zimmer platzte, sichtlich bestürzt: „Mutter, Onkel Dao ist weg.“

Erschrocken rannte Huyen hinaus. Der Garten war verlassen. Immer noch drängten sich die Schmetterlinge um die frisch aufknospenden Kaffeeblüten, aber die Zeltplane, die Bienen und die Hängematte waren verschwunden.

Seine Bienen hatte er zur Rettung weggebracht, aber sie hatte er verlassen.

Bitterer Ärger stieg in ihr auf. Mit seinem Fortgehen hatte ihr Leben seinen Sinn verloren. Sie beschloß, ihre Anpflanzung zu zerstören.

Sie wandte sich um und lief still ins Haus zurück, umfaßte mit wilder Entschlossenheit das Hackmesser, um die Bäume umzuhauen, zwischen die er seine Hängematte gespannt hatte.

Doch etwas in ihrem Blickfeld stoppte ihre Zerstörungswut. Sie bückte sich und zog unter den Zweigen eine in Plastik gehüllte Schachtel hervor.

Sie öffnete die Schachtel und erblickte ein Bündel abgegriffener Banknoten. Geld. Voller Widerwillen schleuderte sie es zu Boden, sie konnte nicht glauben, daß er sie so abfertigen würde.

Blind vor Zorn übersah sie fast den beiliegenden Brief.

Sie stand still, und als sie seine Worte las, war es beinahe so, als ob er nah hinter ihr stünde und ihr sanft ins Ohr spräche.

    Huyen,
    ich bin nicht wegen der Bienen weggegangen. Ich muß Dir etwas sagen. Ich war verheiratet. Vielleicht denkst Du, ich habe mich verkehrt verhalten, aber ich bitte Dich, weiter zu lesen.
    Vor zwanzig Jahren kam meine Frau mit unserem ersten Kind nieder. Aber während des Krieges hatte ich in Wäldern gekämpft, die mit chemischen Entlaubungsmitteln besprüht worden waren, und das Neugeborene glich in keiner Hinsicht einem normalen Kind. Meine Frau schrie, als sie unseren Sohn sah, und innerhalb weniger Stunden waren sie beide tot.
    Ich verließ mein Dorf, um ein einsames Leben zu führen, ich brach alle Verbindungen zu denen ab, die mich kannten. Ich glaubte, wenn ich jegliche menschliche Beziehung vermiede, könnte mich das bewahren vor der Qual, ohne meine Frau und mein Kind weiter zu leben.
    Aber dies führte mich zu Dir, und unversehens hatte ich mich in Dich verliebt. Wenn ich geblieben wäre, wäre ich weiß nicht was geschehen, und ich hätte Schande über Dich gebracht.
    Bitte versuche zu verstehen, was ich getan habe.
    In Liebe für Euch beide, Dich und Thuong,
    Dao.

Thuong stand weinend bei ihr, fragte sie, wann Dao wiederkomme.

Huyen schaute einige Augenblicke ausdruckslos vor sich hin, dann wandte sie sich ihrer Tochter zu und antwortete zuversichtlich: „Im nächsten Frühling wird er zurück sein, Liebes.“

In ihr war eine tiefe Gewißheit. In den folgenden Wochen pflegte sie die Kaffeepflanzung mit einem Enthusiasmus wie nie zuvor, und es dauerte nicht lange, bis die Pflanzen üppig heranwuchsen, Knospen ausbildeten und auf den Regen warteten.

Donner grollte, und der Regen stürzte aus den aufgerissenen Wolken nieder.

Ein kräftiger, kühler Wind blies vom Chu Mom-Berg herunter, und die Regentropfen schienen einen verrückten Tanz aufzuführen, wenn sie auf dem Boden aufschlugen. Sie streckte ihre Hände aus, um die fallenden Tropfen aufzufangen, dann hob sie die Arme und spritze sich das Wasser ins Gesicht.

Bis auf die Haut durchnäßt, stellte sie sich vor, daß sich genau so die Kaffeesträucher fühlen müßten. Beide, Huyen und ihre Tochter, waren sich sicher, daß Dao sich auf dem Weg zu ihnen befand. Kurz vor der Dämmerung stolperte Huyen zurück ins Haus, fiel aufs Bett und in einen fiebrigen Schlaf, in dem sie träumte, sie höre wie anschwellenden Donner den Flügelschlag der heimkehrenden Bienen.

Quelle: VNS 16.03.2003.
Aus dem Englischen (von Manh Chuong) ins Deutsche übersetzt von Marianne Ngo

Veröffentlicht in: Viet Nam Kurier 1/2003

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