Delikates Ziegenfleisch

Kurzgeschichte von Ho Anh Thai

Illustration von Kim Duan

Letztendlich gelang es Hôt, ein Fernsehgerät zu kaufen, und zwar sogar einen Farbfernseher!

Eines Abend besuchten seine beiden Sprösslinge ihre Großeltern, und seine Frau hatte sich davongestohlen zu einem Treffen mit ihrem Boss, dem Manager des Bân Tôc-Regierungshotels. Hôt fragte sich, warum sie in letzter Zeit so oft heimlich aus dem Haus und wieder zurück schlich. Die Anti-Korruptions-Kampagne hatte das ganze Land erfasst – vielleicht waren die beiden dabei, etwas zu vertuschen.

Allein zu Hause, schaltete er den Fernseher ein und griff sich einen Roman. Er las unkonzentriert und horchte mit halbem Ohr auf die Sendung. Als eine Modeschau begann, hob er seine Augen vom Buch. Die Models schienen Amateure zu sein, ihre Bewegungen waren übertrieben und aufgesetzt, aufgeregt zuckten ihre Arme. Wie an Fäden gezogene Marionetten stolperten sie unbeholfen über ihre eigenen Füße. Das letzte Model war eine junge Frau in einem zweiteiligen Badeanzug. Sie warf einen plump-verführerischen Blick in die Kamera, drehte sich, um ihren Rücken zu zeigen, und dann wieder zurück. Und dann geschah etwas Unglaubliches: Sie riss sich das Oberteil herunter, ließ es zu Boden fallen und begann, sich hin- und herzuwinden. Hôt schrie in den Bildschirm hinein, versuchte ihr klarzumachen, dass sie sich nicht in ihrem Badezimmer befinde. Aber zu spät. Sie hatte sich schon vollends entblößt, stand da, wie sie geboren war. Eine Serie von Nacktszenen folgte.

Hôt konnte nicht glauben, dass das Fernsehen so forsch war, so etwas zu zeigen. Er beschloss, sehr vorsichtig zu sein, wenn er jemandem davon erzählen würde. Beim morgendlichen Büroklatsch am nächsten Tag bemerkte er bewusst beiläufig: „Dieses Fernsehprogramm gestern Nacht war ja ein Ding, oder?“

„Es war unmöglich!“, schimpfte ein junger Mann los: „Immer, wenn sie sich gerade küssen wollten, schwenkte die Kamera weg auf Bäume oder Häuser, um ja bloß nichts zu zeigen. Das ist doch nur was für Pensionäre und alte Miesepeter“.

„Blödsinn!“, blaffte Generalmanager Diên. „Die meisten von uns mögen freizügige Filme sehr, die alles ganz genau zeigen. Wir sind ja erfahren und gefestigt, so was verdirbt uns doch nicht“, hielt er dem jungen Mann entgegen. „Ihr dagegen gebt euch gleich Ausschweifungen hin, wenn die Zügel gelockert werden.”

Hôt zog aus diesem Gespräch den Schluss, dass weder der Generalmanager noch seine Kollegen das Glück gehabt hatten, auf die Sendung zu stoßen, die er letzte Nacht angeschaut hatte, obwohl sie doch ständig vor der Glotze hockten und sich mit Junk-Filmen voâllstopften wie eine Schar von Hennen und Gockeln, die mit Klumpen von gedämpftem Reis gemästet und dann geschlachtet werden.

Zu seiner großen Erleichterung war das Fernsehprogramm der folgenden Abende einwandfrei anständig. Keine Gefahr, dass Eltern mit ihren Kindern zusammen Striptease guckten. Aber dann kapierte er: Nur an den Abenden, an denen seine Frau und die Kinder außer Haus waren und er allein im dunklen Zimmer vor dem Fernseher hockte, flimmerte jene Sendung über den Bildschirm.

Und es blieb nicht bei der einen. Da gab es einen Pornofilm, in dem einige Schweine in wahrhaft spektakulären Szenen zu sehen waren. Hôts Boss Diên reagierte skeptisch auf die Beschreibungen, die dieser ihm am nächsten Tag ins Ohr flüsterte.

„Wirklich?“, meinte er mit einem verschlagenen Grinsen, „Tja, vielleicht komm ich besser mal vorbei und überprüfe, ob das stimmt“.

An einem der folgenden Abende gab Hôt seinen Kindern Geld fürs Kino und schickte seine Frau unter einem Vorwand weg. Sobald Diên da war, setzten sich die beiden vor den Fernseher.

Der Film mit den Schweinen entzückte Hôt. Aber als er sich Diên zuwandte, um zu sehen, wie er bei seinem Boss ankam, saß in seinem Wohnzimmer plötzlich ein Ziegenbock, der seine Vorderbeine auf der Brust verschränkte, während die Hinterbeine sanft den Takt zur Musik schlugen. Mit einem Aufschrei stürzte Hôt zur Tür.

„Was hast du denn?“, fragte der Ziegenbock mit gepflegter Höflichkeit und schaute ihn über sein Brillengestell hinweg an. Eigentlich sah der Ziegenbock ziemlich genauso aus wie Diên. Um seinen Hals schlang sich die Goldkette, die der Manager gewöhnlich trug, und eine Armbanduhr umschloss sein linkes Vorderbein. Der einzige Unterschied bestand darin, dass anstelle des spärlichen Bartwuchses an Diêns warzigem Kinn nun ein spitzer Ziegenbart sprießte und dichte schwarze und weiße Felllocken seine Kleider ersetzten.

„Was ist denn mit Ihnen passiert?“, fragte Hôt, als er langsam seine Fassung wiedergewann.

„Was meinst du?“

„Naja, Sie haben sich in einen … Ziegenbock verwandelt.“

„Was, du nimmst dir heraus, mir zu sagen, dass ich mich in einen Ziegenbock verwandelt hätte?!“

Hôt reichte ihm einen Spiegel. Aber der Ziegenbock reagierte anders als erwartet. Lange Zeit schaute er in den Spiegel, dann hob er sogar seine Vorder- und Hinterbeine, um seine Hufe zu betrachten. Obwohl, was er sah, ihn eigentlich erschrecken musste, blieb er doch äußerlich gefasst.

„Mein Leben liegt in Trümmern“, seufzte er schließlich und gab den Spiegel zurück. „Wie dem auch sei, persönliche Probleme dürfen dem Gemeinwohl nicht in die Quere kommen. Hör zu, morgen besuchen Manager der Versorgungsstelle für Baumaterialien unsere Fabrik. Als verantwortlicher Leiter für Planung musst du sie an meiner Statt willkommen heißen und meine Abwesenheit glaubhaft entschuldigen.“

„Für die kann ich mir schon etwas zurechtlegen, aber was ist mit Ihrer Frau?“

„Unterbrich mich nicht. Sag ihr einfach, der Minister habe heute Nacht in einer dringenden Angelegenheit nach mir geschickt, und daraufhin hätte ich mit einer frühen Maschine nach Süden fliegen müssen.“

„Wollen Sie vorerst hier bleiben?“

„Nur für ein paar Tage. Beeilung jetzt, zeig mir mein Versteck.“

Hôt blieb nichts übrig, als den Ziegenbock zum Schweinestall in der Ecke des Hinterhofs zu führen. Bis vor kur­zem hatte seine Frau häufig Essensreste aus ihrem Hotel mitgebracht, die besten für die Menschen ausgesucht und Angegammeltes an die Schweine verfüttert. Aber dann war die Atmosphäre im Hotel angespannt gewesen, sie nahm besser nichts mehr nach Hause mit, und daraufhin blieb der Schuppen leer.

Am nächsten Tag kam Hôt schon am frühen Nachmittag heim. Er versicherte sich, dass seine Frau und die Kinder noch nicht da waren, und ging hinaus zum Schuppen. Der Ziegenbock, der erwartet hatte, Hôt würde ihm mittags etwas zu essen bringen, war schon sehr ungeduldig und konnte kaum an sich halten.

„Da bist du endlich, treibst dich mit diesen Typen von der Versorgungsstelle herum, und lässt mich hier im Stich!“, schrie er schrill. „Ich bin am verhungern.”

„Aber was brauchen Sie denn von mir? Reicht Ihnen das Gras auf dem Hof nicht?“

„Gras? Für mich? Machst du Witze? Setz dich in Bewegung und bring mir meine Lieblingsspeisen: Hühnchen mit im Wasserbad gegarten Lotuskernen, in Fett gebräunte Hühnerinnereien mit Ananas, ein paar frische Bohnensprossen und ein Glas Eidechsenwein.“

„Vielleicht wären Sie daheim besser aufgehoben, Ihre Frau könnte ihnen diese Köstlichkeiten sicherlich zubereiten.“

Schmollend schob Hôt die Unterlippe vor, versuchte sich zu beruhigen, indem er eine leise, sanfte Melodie vor sich hin summte. „Gut, ich werde Ihnen was zu Essen kaufen. Allerdings...“

Und er beugte sich hinüber zu dem spitzen Ohr und flüsterte, dass er in dem heutigen Meeting mit der Versorgungsstelle für Baumaterialien auf die Idee gekommen sei, einige Backsteine, Fliesen und etwas Zement unter dem Vorwand, sie seien für Reparaturen an der Kindertagesstätte der Fabrik bestimmt, für sich selbst zu beschaffen.

„Unmöglich!“ Der Ziegenbock sprang auf, stellte sich auf die Hinterbeine und winkte mit seinem rechten Vorderfuß energisch ab: „Das ist Veruntreuung von Gemeineigentum zu deinem persönlichen Vorteil!“

„Aber sagten Sie nicht, Sie seien hungrig?“

„Ich werde nicht zulassen, dass du von meiner Notlage profitierst!“

Hôt ließ den Ziegenbock übernacht mit leeren Magen. Dieser traute sich nicht, nach Hilfe zu rufen, obwohl er vor Hunger und Schwäche kaum stehen konnte. Er hatte Angst, Hôts Frau könnte es hören. Und er wusste, wenn er in ihre Hände fiele, würde er in Form einiger Gerichte aus rosagegartem Ziegenfleisch enden.

Am nächsten Morgen konnte er es nicht länger aushalten und beugte sich Hôts Forderungen. Der legte einige Schriftstücke, die er schon vorbereitet hatte, auf einen Holzkasten. Der Ziegenbock nahm den Stift, dann saß er lange in Gedanken versunken da, bevor er unterschrieb. Sorgenvoll schüttelte er den Kopf.

„Was für eine Demütigung! Und nur fürs Essen.“

„Alles, was wir tun, ist nur fürs Essen, Chef.“

Im Handumdrehen hatte Hôt einen Haufen Material für Renovierungen in seinem Haus. Er durchwühlte seine Papiere und zerbrach sich den Kopf darüber, was er dem Ziegenbock als nächstes abluchsen könnte, indem er ihn hungern ließ.

Bevor er weitere Pläne aushecken konnte, stürmte eines Morgens Diêns Frau Toán herein.

„Du kannst allen vorflunkern, dass mein Mann in den Süden gefahren ist, aber mir nicht! Ich habe gerade den Minister getroffen, und der sagt, er wisse nichts von dringenden Geschäften, die mein Mann zu erledigen hätte. Offensichtlich hat er eine Affäre mit einem Flittchen, und du steckst mit ihm unter einer Decke.“

Als sie merkte, dass er sich das alles ganz ruhig anhörte, stutzte sie. Da stimmte doch was nicht, und diese Ahnung traf sie wie ein Schwall kalten Wassers ins Gesicht. Versteckte sich hinter seiner Gelassenheit das eisige Herz eines Killers? Panik drohte sie zu überwältigen. Aber sie war es eben auch gewohnt, großmäulig und arrogant aufzutreten: Was immer ihr auf der Seele lag, strömte ungehindert aus ihrem Mund.

„Vielleicht hast du ja meinen Mann umgebracht, ihn in Stücke gehackt und den Schweinen zum Fraß vorgeworfen? Na, was hast du mit der goldenen Kette gemacht und seiner Brille mit der goldenen Fassung?“

Als sie diese kostbaren Gegenstände erwähnte, überwältigten Gier und Bedauern über deren Verlust ihre Angst, und sie verlor jede Furcht. Unvermittelt wandte sie sich um und rannte in den Hinterhof zum Schweinestall. Das ging so schnell, dass Hôt nichts erklären und sie nicht stoppen konnte. Gut, soll sie nur selbst sehen, dachte er.

Aber zunächst konnte Toán in dem verwahrlosten Schuppen nichts erkennen. Schließlich gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht, und sie starrte lange auf den Ziegenbock. Plötzlich erschauderte sie.

„Bist du das?“, fragte sie leise, „warst du die ganze Zeit in diesem Stall?“

Der Ziegenbock antwortete nicht. Er senkte den Kopf, als ob er einen Fehler eingestehen wolle. Toán stellte fest, dass er immer noch die Goldkette trug, die Uhr und die Brille mit der Goldfassung.

Überrascht fragte Hôt: „Wie haben Sie ihn erkannt?“

Hôt sagte das in einem Ton, der Interesse erkennen ließ, und Toán erzählte ihm ihre Geschichte.

„Wieso sollte ich ihn nicht erkennen? Das erste Mal sah ich ihn in dieser Gestalt an dem Tag, als er zu uns nach Hause kam und um meine Hand anhielt. Meine Eltern und Geschwister waren voll des Lobes für ihn: Er sei gutaussehend und tüchtig, ein Generalmanager, und dabei kaum über 30. Aber das, was ich an diesem Tag ins Haus kommen sah, war ein Ziegenbock mit Spitzbart, uninteressant für menschliche Wesen. Aber ich war eine Jungfer von 33, und er war meine letzte Chance. Seit über 20 Jahren leben wir nun zusammen, und die ganze Zeit über sehe ich ihn so, wie er jetzt, in diesem Schweinestall, aussieht.

Langes Schweigen. Schließlich fragte Hôt: „Was haben Sie jetzt vor?“

„Lass ihn hierbleiben, kümmere dich eine Weile um ihn. Ich habe zu Hause keinen Platz, um ihn zu versorgen, und außerdem haben wir Gäste vom Lande. Ich werde Essen für ihn zubereiten und dich für deine Mühe entlohnen.“

„Aber Sie müssen dafür sorgen, dass er möglichst bald wieder nach Hause kann. Wenn meine Frau ihn entdeckt,“ Hôt reckte das Kinn in Richtung Ziegenbock, „wird sie ihn zum B?n T?c-Hotel bringen und sein Fleisch verkaufen“.

Am gleichen Abend brachte Tóan einen Sack, und sie steckten den Ziegenbock hinein und befestigten das Bündel auf dem Gepäckträger ihres Mopeds. Bald war der Ziegenbock zuhause in seinem eigenen Zimmer, mit seinem eigenen Tisch und seinen eigenen Büchern. Toán hatte sich Mühe gegeben, eine Begrüßungsparty vorzubereiten mit alkoholischen Gentränken und seinen Lieblingsgerichten.

Nach einem Glas Whisky bekam der Ziegenbock feuchte Augen und eine ernste Miene. Mit brüchiger Stimme sagte er: „Ich hatte Träume. Die sind jetzt völlig zunichte. Ihr beide müsst das Gerücht ausstreuen, dass ich nach Rückkehr von meiner dringenden Dienstreise so geschwächt sei, dass ich nicht mehr weiterarbeiten könne. Und du, meine Frau, musst meinen Pensionierungsantrag einreichen.“

„Wieso sollte sich ein Ziegenbock um Pensionierung scheren?“, fragte Hôt.

„Sag das nicht. Meine Karriere, die in jeder Hinsicht äußerst zufriedenstellend verlief, verlangt einen reibungslosen und ehrenvollen Abschluss.“

„Ich verstehe dich“, stimmte seine Frau zu. „Wir müssen uns ein ansteckendes Leiden für dich ausdenken, damit niemand zum Kontrollieren kommt. Ich werde der Personalverwaltung in deiner Fabrik mitteilen, du seist an AIDS erkrankt.“

Ärgerlich sprang der Ziegenbock auf. „Du beschmutzt meine Ehre, mein Ansehen. Ein Mann mit meiner Reputation kann nicht eine so obszöne Seuche als Pensionierungsgrund angeben.“

Als Hôt heimkam, war er betrunken. Vor seinem Haus angekommen, erinnerte er sich, dass beide Kinder an diesem Abend mit anderen Teenagern aus der Nachbarschaft unterwegs waren. Seine Frau würde allein zu Hause sein. Er fragte sich, was für eine Fernsehsendung sie sich anschauen würde. Er presste sein Auge an den Spalt zwischen Tür und Wand.

Das Leuchten des Fernsehers tauchte den Raum in ein bleiches, kränkliches Licht. Lange musste er seine Augen anstrengen, bevor er auf dem Bildschirm eine Gestalt ausmachen konnte: Einen eleganten Mann, der Rücken und Brust präsentierte, indem er sich wie ein Model drehte. Plötzlich, für eine Sekunde, sah er den gleichen Mann splitterfasernackt herumparadieren.

Wütend pochte Hôt an die Tür, dann warf er sich mit dem ganzen Körper dagegen. Seine Frau öffnete, wobei sie keinerlei Anstalten machte, den Fernseher auszuschalten. Auf dem Bildschirm sah Hôt nun den gleichen Mann, mit dem gleichen gewinnenden Lächeln, wie er sich um und um drehte und neue Kleider vorführte. Aber der Szenenwechsel konnte ihn nicht täuschen.

„Pass bloß auf!“, knurrte er seine Frau an, „Ich kenne jemanden, der sich in einen Ziegenbock verwandelt hat, als er einen solchen Film anschaute.“

Unbeeindruckt nahm sie wieder Platz. „Man sagt, dass ein Ding sich in ein anderes verwandelt“, antwortete sie entschieden. „Aber du liegst falsch: Nichts verwandelt sich in sich selbst.“

Verblüfft brauchte er einige Momente, bevor er begriff, was sie meinte.

„Willst du sagen, Menschen seien wie Ziegen?“

„Nicht ,wie Ziegen‘. Sie sind Ziegen. Alles, was ich um mich herum sehe, ist eine Gesellschaft von Ziegen. Die Häuser und Straßen sind voller Ziegen. Ziegen auf Fahrrädern und auf Honda-Mopeds. Ziegen in Toyotas.“

„Warum hast du nie etwas gesagt?“

„Weil man mich sofort in die Bò Ðúng-Psychiatrie eingewiesen hätte. Stattdessen grüße ich die Ziegenböcke als Onkel und Brüder und die weiblichen Ziegen als Tanten und Schwestern. Obwohl – mit den Ziegenherden, die täglich von den Vorstädten in mein Hotel geliefert werden, verhält es sich anders: Da habe ich einen Ziegenbock geschlachtet und mir dabei vorgestellt, er sei der Generaldirektor des Hotels, der mir eine Reise nach Frankreich verwehrte. Eine Ziege habe ich gehäutet und zerteilt, die der Frau aus der Personalabteilung glich, die sich geweigert hatte, meinen Bruder einzustellen. Und von der stellvertretenden Managerin, der blöden Ziege, habe ich rosagegarte Gerichte zubereitet.

Hôt schüttelte es. Er wollte seine Frau fragen, ob sie in ihren Gedanken Tisch und Bett mit einem Ziegenbock geteilt habe. Aber dann hielt er seinen Mund. Manches bleibt besser ungesagt.

***

Nach einiger Zeit scherte sich niemand mehr um Diêns unerwarteten Rücktritt wegen eines ernsten Leidens. Allerdings hieß es einmal, eine Nachbarin sei durch die offene Tür ins Haus gekommen auf der Suche nach Toán. Als sie diese nicht antraf, ging sie durch zu Diêns Studio, wo sie einen bebrillten Ziegenblick erblickte, der am Tisch saß und schrieb. Vor ihm lag ein dicker Packen Papier, das oberste Blatt trug in dicken Lettern den Titel „Memoiren“. Entsetzt stürzte sie hinaus und verbreitete in der ganzen Nachbarschaft, was sie gesehen hatte, bis sie schließlich in der Bò Ð?ng-Psychiatrie landete.

Was Hôts Frau angeht, so brachte sie wieder Essensüberbleibsel von der Arbeit nach Hause, auch sein geliebtes Ziegenfleisch. Aber jedes Mal, bevor er aß, studierte er erst sorgfältig die Nachrufe in der Zeitung. Und nur, wenn er vollkommen überzeugt war, dass Toán nicht den Tod ihres Gatten vermeldet hatte, nur wenn er sicher war, das sie ihn nicht an das Hotel verkauft hatte, nur dann konnte Hôt beruhigt sein auf den Punkt gegartes Ziegenfleisch genießen.

Quelle: VNS 3.2.2019 übersetzt von Marianne Ngo
nach der englischen Fassung von
Ho Anh Thái and Wayne Karlin

Veröffentlicht in: Viet Nam Kurier 3-4/2018

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