Das Hue-„Massaker“ von 1968

Eine kritische Analyse

D. Gareth Porter

Sechs Jahre nach der Tet-Offensive ist einer der andauernden Mythen des zweiten Indochina-Krieges immer noch unhinterfragt: der Mythos vom „kommunistischen Massaker“ in Hue.

Die offizielle Version darüber, was damals geschehen ist, lautet: Die Nationale Befreiungsfront (FLN) und die Nordvietnamesen hätten 1968 willkürlich und systematisch nicht nur offizielle Verantwortliche der Südvietnamesischen Regierung, sondern auch Angehörige von Glaubensgemeinschaften, der intellektuellen Elite und einfache Bürger ermordet. Von den 4.700 Opfern kommunistischer Exekutionen habe man später in Massengräbern 3.000 Leichen gefunden.

Auch heute ist noch nicht vollständig aufgeklärt, was damals in Hue ge­schah. Trotzdem gibt es inzwischen1 genügend Beweismaterial, das den Schluss zulässt, dass die Geschichte so, wie sie dem amerikanischen Publikum durch die südvietnamesischen und amerikanischen Propaganda-Agenturen erzählt wurde, nur sehr wenig mit der Wahrheit zu tun hat. Im Gegenteil, sie war das Ergebnis einer politischen Kriegs-Kampagne der Saigoner Regierung, die durch die US-Regierung ergänzt und von der US-Presse unkritisch übernommen wurde. Eine sorgfältige Untersuchung der offiziellen Geschichte des Hue-„Massakers“ auf der einen und die Beweiskraft von unabhängigen und auch antikommunistischen Quellen auf der anderen Seite vermitteln einen überraschenden Blick auf die Bemühungen der US-Presse, die Angst vor einem massenhaften „Blutbad“ am Leben zu erhalten.2 Es ist ein Mythos, der aktuell den Kriegsinteressen der US-Administration und -Armee diente, der aber die öffentliche Meinung bis heute tief beeinflusst.

Das „Bataillon für politische Kriegsführung“

Wenn man die offizielle Geschichte von Hue entwirren will, muss man zurückgreifen auf die damalige Quelle der Informationen, die dem amerikanischen Publikum über diesen Vorgang vermittelt wurden.

Die offizielle Agentur der damaligen Saigoner Regierung, die die Gesamtverantwortung trug für das Sammeln und Publizieren von Daten über das angebliche „Massaker“, war weder das Ministerium für Soziales und Flüchtlinge noch das Gesundheitsministerium, wie man hätte erwarten können, sondern das 10. Bataillon für politische Kriegsführung der Armee der Republik Vietnam (ARVN). Am Namen dieser Dienststelle kann man schon ablesen, dass sie die spezielle Aufgabe hatte, die FLN und die DRV zu diskreditieren ohne Rücksicht auf die Wahrheit.3 Auf ihrem Bericht beruhten die Berichte über das „Massaker“, wie sie in den Veröffentlichungen der US-amerikanischen Presse in den Jahren 1968 und 1969 erschien. Weder die Anzahl der gefundenen Leichen noch die Ursachen ihres Todes wurden jemals anhand unabhängiger Quellen verifiziert. Wie wir sehen werden, hätte die Einbeziehung unabhängiger Quellen die Version der ARVN widerlegt.

Die ersten Saigoner Angaben über die Zahlen zu dem behaupteten Massaker wurden am 23. April 1968 bekannt, als das 10. Bataillon für politische Kriegsführung einen Report herausgab, in dem von mehr als 1.000 Opfern der Kommunisten die Rede war, die in und um Hue getötet worden seien. Dieser Report wurde in allen Details vom US-Informationsdienst übernommen und verbreitet, aber die US-Presse nahm ihn nicht zur Kenntnis.4 Eine Woche später veröffentlichte die US-Mission einen eigenen Bericht, der im wesentlichen auf dem ARVN-Report beruhte. Die US-Mission behauptete, ihr Bericht beruhe auf Untersuchungen „der USA und südvietnamesischer Dienststellen“5. Aber der Einfluss von US-Beratern auf diesen Bericht scheint unbedeutend gewesen zu sein. Nach einer Meldung der Pressestelle der Saigoner Regierung, Vietnam Press, beruhte der Bericht auf Daten der nationalen Polizei in Hue, von US-Beratern, Interviews mit Beamten der südvietnamesischen Behörden für Information und Flüchtlinge und „Berichten des 10. Bataillons für politische Kriegsführung“, welch letzteres die Basisdaten der angeblichen Massaker geliefert habe.6 Vietnam Press berichtete weiterhin, ein Offizier des 10. Bataillons für politische Kriegsführung, der in die Recherchen zu den Exekutionen eingebunden war, habe behauptet, fast die Hälfte der Opfer sei bei lebendigem Leib begraben worden.

In den Monaten März und April, in denen die angeblichen Opfer kommunistischer Exekutionen entdeckt wurden, erlaubte die Saigoner Regierung keinem einzigen Journalisten, die Gräber oder die Leichen zu besichtigen, obwohl sich zu der Zeit viele ausländische Journalisten in Hue aufhielten. Der Provinzchef, Hauptmann Pham Van Khoa, verkündete gegen Ende Februar, dass 300 zivile Regierungsangestellte von den Kommunisten exekutiert und in Massengräbern südöstlich der Stadt gefunden worden seien.7 Aber kein Journalist konnte die angeblichen Massengräber besichtigen. Dem französischen Fotografen Marc Riboud, der mehrfach angefragt hatte, die Gräber zu besuchen, wurde die Erlaubnis stets verweigert. Als er dann schließlich doch mit einem Helikopter zu den angeblichen Gräbern gebracht werden sollte, weigerte sich der Pilot zu landen, die Gegend sei „unsicher“.8 Riboud hat den Ort niemals gesehen, und als schließlich die offizielle Chronologie der Entdeckungen und die Kartenkoordinaten der Gräber veröffentlicht wurden9, war darauf kein einziges Grab zu sehen, auf das die Beschreibung Khoas auch nur annähernd passte.

Stewart Harris, ein Repoter der London Times, war Ende März in Hue, um über die angeblichen Massenexekutionen zu berichten, und zwar genau an dem Tag, an dem gemäß der offiziellen Chronologie in der Nähe der Kaisergräber südlich von Hue 400 Leichen gefunden worden waren. Aber anstatt zu diesem Ort brachte ihn der amerikanische Offizier für politische Kriegsführung zu einem Grab im Gia Hoi-Distrikt, in das vor langer Zeit Leichen umgelegt worden waren.10 So musste auch er sich auf die Aussagen der vietnamesischen oder amerikanischen Offiziere verlassen, wenn er wissen wollte, was in den Gräbern gefunden worden sei.

Weiterhin veröffentlichte das Amt für politische Kriegsführung der ARVN widersprüchliche Berichte darüber, wie viele Leichen jeweils gefunden worden seien. Auf dem Gelände des Gia Hoi Gymnasiums zum Beispiel sei, so hieß es in dem offiziellen US-amerikanischen Bericht, der auf Informationen des 10. Bataillons für politische Kriegsführung basierte, eine Gesamtzahl von 22 Massengräbern gefunden worden und eine Gesamtzahl von 200 Leichen in ihnen, was bedeuten würde, dass in jedem Grab nur 9 Leichen gefunden worden wären.11 Als jedoch Stewart Harris zu der Stelle geführt wurde, sagte ihm der Vietnamesische Begleitoffizier, in jedem der 22 Gräbern seien zwischen drei und sieben Leichen gefunden worden, was bedeuten würde, dass die Gesamtzahl zwischen 66 und 150 Leichen liegen müsste.12 In derselben Zeit veröffentlichte das 10. Bataillon für politische Kriegsführung ein Flugblatt für die vietnamesische Bevölkerung, in dem es hieß, es seien in der Nähe des Gymnasiums 14 Gräber gefunden worden, und nicht 22 wie zuvor angegeben, was die Gesamtzahl weiter sinken lassen würde.13

Die konträren Befunde eines Doktors

Die Unzuverlässigkeit der Zahlen Sai­gons tritt zutage, wenn man die Befunde von Alje Vennema heranzieht, eines Arztes, der für ein kanadisches Medizinerteam am Krankenhaus von Quang Ngai arbeitete, sich per Zufall zur Zeit der Tet-Offensive in der Provinz Hue aufhielt und eigene Untersuchungen bei den Grabstätten durchführte.14 Vennema bestätigte, dass sich bei dem Gia Hoi-Gymnasium 14 Gräber befunden hätten, fügte aber hinzu, dass dort nur insgesamt 20 Leichen bestattet worden seien. Vennema stellte auch fest, dass in den anderen beiden Gräbern in Gia Hoi nur 19 Leichen lagen anstatt der von der Regierung angegebenen Zahl von 77 und dass außerdem bei den Kaisergräbern im Südwesten nur 29 Leichen beerdigt waren und nicht 201, wie die Regierung behauptete.

Glaubt man den Befunden Vennemas, lagen in den vier wichtigsten Fundstätten, die unmittelbar nach dem Tetfest gefunden worden waren, insgesamt nur 68 Leichen und nicht, wie die Regierung behauptete, 477. Dazu kommt, dass Vennema zwar nicht behauptete, keine der Leichen sei ein Opfer der FLN-Exekutionen gewesen, aber zu dem Schluss kam, dass die meisten der Leichen Opfer der militärischen Auseinandersetzungen gewesen sein müssen, und nicht politischer Morde. Was den Fall der Fundorte in der Nähe der Kaisergräber angeht, so seien die meisten dort gefundenen Körper mit Uniformstoffen bekleidet gewesen. Er berichtet auch, mit in der Nähe lebenden Dorfbewohnern gesprochen zu haben, die ihm sagten, dass es vom 21. bis zum 26. Februar dort heftige Bombardierungen gegeben habe sowie Granateinschläge und Geschützfeuer in unmittelbarer Nähe. Und entgegen den Behauptungen der Regierung, viele Opfer seien lebendig begraben worden, gab Vennema an, alle Leichen hätten Wunden aufgewiesen.

Die Umstände, unter denen die offizielle Version entstanden ist – ihr Ursprung aus der politischen Propaganda, die Weigerung, eine Überprüfung aus erster Hand durch die Presse zu erlauben, die fragwürdigen Statistiken – und dazu die abweichenden Zeugenaussagen eines Arztes, der vor Ort war, all das deutet darauf hin, dass die Saigoner Regierung in ihren Berichten vom April 1968 die Wahrheit verfälscht hat. Tatsächlich legt dieses Beweismaterial nahe, dass das politische Kriegsführungs-Bataillon die Zahl der tatsächlichen Exekutionen durch die FLN um das Zehnfache oder mehr nach oben korrigiert hat.

Exhumierungen von 1969

Im Jahre 1969, als noch mehr Leichen in den Dörfern um Hue gefunden wurden, starteten die Beamten der ARVN-Kriegsführung eine neue Phase der Kampagne der Saigoner Regierung. Die ersten Leichen wurden südwestlich von Hue gefunden, wo die Exhumierungen durch ein „Komitee für die Suche und Bestattung von Opfern der Kommunisten“, geleitet von Distriktchef Major Trung, durchgeführt wurden. Wieder war die Presse während der Aktion nicht zugelassen. Ihre Vertreter wurden jedoch später von Major Trung einberufen, der ihnen sagte, dass das Komitee 135 Leichen in dem Weiler Vinh Lu im Dorf Phu Da und 230 Leichen in sieben großen Gräbern in dem Dorf Phu Xuan gefunden habe.15

Was der Distriktchef den Reportern nicht sagte, war, dass das gesamte Gebiet, in denen diese Gräber gefunden worden waren, Anfang 1968 viele Wochen lang ein Schlachtfeld gewesen war. Die FLN behielt die Kontrolle über viele der Dörfer noch bis nach der Vertreibung aus der Stadt, einige Dörfer, die mehrere Monate lang unter ihrer Kontrolle waren, waren in dieser Zeit schweren Bombenangriffen durch amerikanische Kampfflugzeuge ausgesetzt.

Einer der vier Fundorte, der Ende März 1969 entdeckt wurde und angeblich 22 Leichen enthielt, lag zwischen den Dörfern Phu My und Tuy Van.16 Phu My, nur drei Meilen westlich von Hue gelegen, war eines der von kommunistischen Truppen während der Offensive besetzten Dörfer, wo viele junge Männer für die Befreiungsarmee rekrutiert wurden. Nach den Aussagen eines später gemachten Interviews mit einem Einwohner bombardierten die Amerikaner wiederholt das Dorf, wobei hunderte von Häusern zerstört und viele Zivilisten getötet wurden.

Die drei anderen Bestattungsorte, die Ende März und Anfang April entdeckt wurden, enthielten nach Angaben der Chronologie des Pentagons 357 Leichen und lagen im Dorf Phu Xuan und ein wenig weiter an der Straße nach Phu Da17 sowie in Phu Xuan, 13 Meilen westlich von Hue gelegen. Auch diese Orte waren in den Wochen nach der Offensive Schauplätze heftiger Kämpfe gewesen, inklusive des Einsatzes schwerer Bomber der Luftwaffe. In einer der Schlachten, die einen ganzen Tag dauerte und an der Luftangriffe beteiligt waren, wurden etwa 250 kommunistische Soldaten getötet, so der Dorfvorsteher von Phu Xuan in einem Interview, das in der Bataillons-eigenen Zeitung Tien Tuyen veröffentlicht wurde.18

Die Behauptung des Bataillons, die dort gefundenen Leichen seien Opfer von kommunistischen Exekutionen, haben noch nicht einmal offizielle Vertreter der Saigoner Regierung überzeugt. Der Gesundheitsminister Tran Luu Y informierte den stellvertretenden Provinzchef von Thua Thien, dass die dort gefundenen Toten in der Schlacht gefallene FLN-Kämpfer sein könnten.19 Die Zeitung des Bataillons für politische Kriegsführung beschuldigte darauf den Minister des Skeptizismus.20

Die Tatsache, dass so wenig Informationen über die gefundenen Leichen verfügbar waren, bestärkte sicher den Verdacht, dass nur wenige von ihnen tatsächlich Opfer kommunistischer Exekutionen waren. Auf der einen Seite hatte Major Trung in seinem Bericht über die Leichenfunde in seinem Bezirk behauptet, es habe darunter von insgesamt 365 Opfern nur 9 zivile Angehörige und 14 Soldaten der Saigoner Armee gegeben.21 Es war allgemein bekannt, dass eine beträchtliche Anzahl der Opfer Frauen und Kindern waren. Ein US-amerikanischer Offizier, der in Hue stationiert war, gab einem Reporter der Washington Post gegenüber anlässlich eines Massenbegräbnisses zu: „Einige sind wahrscheinlich nur so hineingeraten (als Opfer der Kämpfe)“.22 In der Tat wäre es sehr merkwürdig, wenn die FLN ihre von Bomben oder Artilleriefeuer getöteten Frauen und Kinder in den Dörfern, die sie bei Hue kontrollierte, nicht begraben hätten.

Ein anderer wichtiger Fundort am Da Mai-Bach liegt in einer waldigen Gegend zehn Meilen südlich von Hue. Die Berichte über ihn sind immer noch geprägt von Vagheit und Widersprüchen. Selbst die Anzahl der Leichen bleibt so etwas wie ein Geheimnis. Der offizielle Pentagon-Bericht spricht von etwa 250 Opfern.23 Aber als Douglas Pike, Vietnam-Spezialist der CIA, Monate später über den Ort berichtete, war die Zahl plötzlich auf 428 gestiegen.24

Überdies: Der einzige „Überläufer“, den Saigon präsentieren konnte, und der die angeblichen kommunistischen Mas­saker belegen sollte, präsentierte zwei verschiedene und widersprüchliche Versionen dieses Falls. In einem Interview, das die Saigoner Regierung für die Zeitung Baltimore Sun Ende 1969 arrangiert hatte, bezeugte der „Überläufer“, dass ein kommunistischer Bürgermeister, der sein Freund war, ihm erzählt habe, dass etwa 600 Leute aus Phu Cam und Tu Dam an prokommunistische Bergstämme übergeben worden seien, um von diesen ermordet zu werden. Der Grund dafür, so erklärte er, sei gewesen, dass sie „Verräter der Revolution“ gewesen seien.25 Aber derselbe Mann sagte in einem Interview mit einem Korrespondenten der Tien Tuyen einige Tage später, er habe von demselben Bürgermeister erfahren, dass 500 „Tyrannen“ in die Berge verschleppt worden seien, nicht um ermordet zu werden, sondern zur „Umerziehung“.26

Und auch hier gibt es einen großen und eindeutigen Unterschied zwischen Pike und der offiziellen Version des Pentagons darüber, wer die Opfer waren und wo sie herkamen. In Pikes Version sei dies eine Gruppe gewesen, die in einer Kirche im katholischen Distrikt von Phu Cam (Hue) am 5. Februar 1968 gefangen genommen worden sei. Die Leute hätten fünf Meilen nach Süden marschieren müssen, wo dann 20 von ihnen von einem Volksgericht verurteilt und einer lokalen kommunistischen Einheit übergeben worden seien, die sie an einen Ort dreieinhalb Meilen von Hue gebracht und dann ermordet habe.27 Aber der Bericht des Verteidigungsministeriums zeigt, dass die Gruppe von Zivilisten, die in der Kirche in Phu Cam verhaftet worden war, nur 80 bis 100 Menschen umfasste, nicht 400 wie Pike behauptet.28 Überdies behauptet ein Bericht, der zunächst in dem halboffiziellen Viet-Nam Magazine veröffentlicht worden war und von der Saigoner Botschaft in Washington nachgedruckt wurde, dass alle außer 20 Leuten, die vom Volksgericht verurteilt wurden, nach Hue zurückgeschickt wurden mit der Mahnung, die FLN würde eines Tages nach Hue zurückkehren und dass sie sich inzwischen dort entsprechend verhalten sollten.29

Diese Widersprüche sind bedeutungsvoll angesichts von Pikes Bemühen, zu beweisen, dass die Leichen von Da Mai Opfer von kommunistischen Mördern sein mussten, weil sie eine Gruppe waren, die schon in Hue gefangen genommen worden war. Tatsächlich ist erwiesen, dass die meisten, die Phu Cam mit den Kommunisten verließen, gar keine Gefangenen, sondern zu Diensten als Lastenträger gezwungen worden waren, die Munition schleppen mussten, oder sogar Soldaten der FLN wurden. Wie Agence France Presse (AFP)30 aus Hue während der Schlacht berichtete, wurden an viele junge Männer vor allem aus der Gegend von Phu Cam Gewehre ausgeteilt, um an der Seite der Front zu kämpfen, oder sie wurden als Munitionsträger eingeteilt oder als Sanitäter, die verwundete Soldaten in die Bergcamps tragen mussten.31

Auch hier wieder legt die ausführliche Recherche nahe, dass die 250 Leichen, die am Da Mai-Bach gefunden worden sind (nicht 400, wie Pike behauptet), ebenfalls bei der Schlacht oder durch B-52-Luftangriffe getötet worden sind. Der Artikel im Viet-Nam Magazine bemerkt nebenbei, dass der Fundort „in der Nähe der Stelle liegt, wo die Kommunisten ihre letzte große offene Schlacht gegen die Alliierten kämpften (30. April bis 2. Mai 1968)“32 – eine Tatsache, die den Lesern der amerikanischen Presse nie mitgeteilt wurde. Die Befreiungsfront hatte stets Wert darauf gelegt, so viele ihrer Kriegsopfer wie möglich vom Schlachtfeld mitzunehmen, um sie zu bestatten. Und dies auch in dem Bemühen, den feindlichen Geheimdiensten keine Erkenntnisse über ihre Verluste zu erlauben.

Kurz zusammengefasst: Diese Widersprüche, die Unzuverlässigkeit verschiedener offizieller Dokumente, das Fehlen einer Ergebniskontrolle und die klaren sachlichen Widersprüche in den offiziellen Erklärungen, all das legt die Vermutung nahe, dass die überwältigende Mehrheit der im Jahre 1969 entdeckten Leichen in Wahrheit Opfer der amerikanischen Luftwaffe und der Bodenkämpfe waren und nicht Opfer von FLN-Exekutionen.

Douglas Pike, der perfekte Medien-Manipulator

Es war zum großen Teil das Werk eines Mannes, dass das Hue-„Massaker“ in den Jahren 1969 und 1970 in die Schlagzeilen kam und ausführlich diskutiert wurde. Dieser Mann war der schon erwähnte Douglas Pike33 von der US-Nachrichtenagentur. Er besuchte Südvietnam im November 1969, offenbar auf Anforderung des US-Botschafters Ellsworth Bunker, und er hatte die Aufgabe, einen neuen Bericht über Hue vorzubereiten.34

In den beiden letzten Wochen des Novembers initiierte er direkt oder indirekt mehrere Zeitungsartikel sowohl über Hue als auch das Thema „Blutbad“ im allgemeinen. Pike instruierte persönlich mehrere Reporter über seine Version der kommunistischen Besetzung Hues und verbreitete gleichzeitig eine Übersetzung eines erbeuteten kommunistischen Dokuments, das er in den erbeuteten Papieren gefunden hatte und von dem er behauptete, es sei ein offenes Eingeständnis des Massakers an unschuldigen Zivilisten während der Besetzung von Hue.

Das Dokument35 war Gegenstand mehrerer Artikel in der amerikanischen Presse. Die Washington Post machte aus der Meldung der Associated Press (AP) einen Leitartikel unter der Überschrift: „Die Roten töteten 2.900 Menschen in Hue während des Tetfests, nach einem erbeuteten Dokument des Feindes“36. Der Artikel der Korrespondenten des Christian Science Monitor stand unter der Überschrift „Kommunisten geben Mord zu“37 und begann mit den Worten: „Das kommunistische Massaker in Hue Anfang 1968 war der Höhepunkt einer sorgfältigen Planung.“ Beide Artikel werteten als „Eingeständnis“ folgende Passage aus der Übersetzung des Dokuments: „Wir eliminierten 1.892 Verwaltungsbeamte, 39 Polizisten, 790 Gewaltherrscher, 6 Hauptleute, 2 Oberleutnants, 20 Leutnants und viele weitere Offiziere.“

Keiner der Reporter hinterfragte die Authentizität des Dokuments oder die Korrektheit der Übersetzung, die ihnen gegeben worden war. Indessen zeigt das originale vietnamesische Dokument, von dem ich vom US-Oberkommando im September 1972 eine Kopie erhielt, „dass dessen Autor nicht sagte, was die Presse und die Öffentlichkeit glauben gemacht wurde.38 Im originalen vietnamesischen Text stützt der zitierte Satz nicht die offizielle amerikanische Interpretation, die Kommunisten hätten zugegeben, mehr als 2.600 Zivilisten in Hue ermordet zu haben. Zunächst muss festgestellt werden, dass es im Kontext dieses Satzes nicht um das Thema der Bestrafung von Kriminellen der „Feinden“ geht, sondern er ist ein allgemeiner Rechenschaftsbericht über die Offensive zu der Beseitigung der Streitkräfte und der Verwaltung in der Provinz Thua Thien. Zwei Abschnitte zuvor spricht das Dokument über die Errichtung einer „politischen Kraft“, deren Aufgabe es war, „feindliche Soldaten zur Kapitulation und Abgabe ihrer Waffen aufzufordern“. Das Dokument erinnert daran, dass die Selbstverteidigungstruppen39 so erschreckt waren, als die Befreiungsfront angriff, dass sie versuchten, den Fluss zu überqueren, wobei 21 von ihnen ertranken. Die Sektion, die für den Distrikt Phu Vang zuständig war, betonte die Stärke der gegnerischen Kräfte und erwähnte den Ort, an dem der Angriff stattfand. Sie behauptete, 12 LKWs für den Lebensmitteltransport und 60 Rollen Stoff für die Herstellung von Fahnen erobert zu haben.

Im nächsten Satz kommt dann die Information: „Wir eliminierten 1,892 Verwaltungsbeamte“ – so in der offiziellen US-Übersetzung. Aber das vietnamesisch Wort „di?t“, hier übersetzt mit „eliminieren“ muss verstanden werden als „zerstören“ oder „neutralisieren“ im militärischen Sinn, und nicht mit „töten“ oder „liquidieren“, wie Pike und die Presseleute behaupteten. Wie auch sonst in kommunistischen militärischen Kommuniqués, wurde dieser Ausdruck gleichermaßen benutzt für getötete, verwundete oder gefangengenommene Feinde. Zum Beispiel hieß es im Dritten Speziellen Kommuniqué der Truppen der Befreiungsfront, das am Ende der Tet-Offensive veröffentlicht wurde: „Wir haben einen großen Teil der feindlichen Kräfte zerstört (diêt). Nach ersten Zählungen haben wir mehr als 90.000 Feinde getötet, verwundet oder gefangengenommenen.“40 Es muss betont werden, dass „di?t“ im normalen Sprachgebrauch niemals „töten“ heißt und dass somit die offizielle Übersetzung äußerst unkorrekt ist.

Außerdem: Das Wort „t?“, in der der US-Presse ausgehändigten Version als „Verwaltungsbeamte“ übersetzt, hat in Wirklichkeit eine allgemeinere Bedeutung im Sinne von – gemäß einem nordvietnamesischen Wörterbuch – „Marionettenpersonal“, was sowohl ziviles, als auch militärisches Personal umfasst.41 Wenn das Dokument speziell über die Administration der Saigoner Regierung spricht, dann benutzt es eine anderen Ausdruck, „nguy quyen“. Sowohl der Kontext als auch der normale Sprachgebrauch straft die Interpretation Lügen, die Pike erfolgreich der Presse vermittelt hat.

Pikes „Volksfeinde“-Dokument

Die Verfälschung des Dokuments mag das Ergebnis einer schlechten Übersetzung und des Bemühens, die offizielle Version der Ereignisse „belegen“ zu können, sein und nicht eine bewusste Fehlinterpretation.42 Persönlich verantwortlich ist Pike aber in einem zweiten Fall aus derselben Zeit. Er händigte ausgewählten Reporten eine Liste aus, die 15 Kategorien dafür enthielt, was er – und die Presse dann ebenfalls – als „Volksfeinde“ bezeichnete. Diese seien von den Kommunisten für die Liquidation vorgesehen gewesen. Darunter waren auch zwei Kategorien, die beweisen sollten, dass die Kommunisten insbesondere darauf aus gewesen seien, katholische Anführer, Großgrundbesitzer oder Kapitalisten zu töten, wörtlich „führende Mitglieder und Schlüsselfiguren religiöser Organisationen, die immer noch tief abergläubisch waren“ und „Mitglieder der ausbeuterischen Klasse“. Das Dokument erhielt viel Beachtung und wurde an prominenter Stelle veröffentlicht in Zeitungen wie Los Angeles Times und Washington Daily News als neue Beweise für angebliche kommunistische Pläne für ein „Blutbad“.43

Das Dokument mag vielleicht authentisch sein, aber erneut waren die Schlüsse, die aus ihm gezogen wurden, klar verfälschend. Zunächst muss festgestellt werden, dass das Dokument selbst an keiner Stelle die Bezeichnung „Volksfeinde“44 enthält, die Pike selbst eingeführt hat und die in der Presse so verwendet wurde, als sei sie ein Zitat aus dem Dokument. Dann sagt das Dokument nichts darüber aus und erlaubt auch nicht die Vermutung, diese 15 Kategorien würden Personen bezeichnen, die zu bestrafen oder gar zu liquidieren seien, wie Pike den Reportern gegenüber andeutete und später in seiner eigenen Broschüre über Hue schlicht behauptete.45

Tatsächlich war das Dokument, das den Titel trägt: „Fünfzehn Kriterien für die Untersuchung“ die einfache Wiedergabe von Gedanken darüber, welche Teile der Bevölkerung sorgfältig überwacht werden müssten.46 Die dort angeführten Kategorien, die die FLN für die Aufzählung von Personen benutzte, die zu unterdrücken oder zu verfolgen wären, waren sehr verschieden von denen in der von Pike verbreiteten Liste und enthielten weder „führende Mitglieder und Schlüsselfiguren religiöser Organisationen“ noch „Mitglieder der ausbeuterischen Klasse“. Und Pike müsste das eigentlich gewusst haben, denn ein anderes Dokument, das Kategorien enthielt für Personen, die zu bestrafen seien, war von der US-Mission schon im Oktober 1967 veröffentlicht worden.47

Ein anderes Element der Pressekampagne, die durch Pikes Einsatz in Saigon beeinflusst worden ist, war die Zeugenaussage eines „Überläufers“, eines Deserteurs der FLN über das Blutbad. Die Methode, solche Überläufer in Pressekonferenzen zu präsentieren, wurde vom Bataillon für die politische Kriegsführung häufig benutzt, um eine politische Behauptung zu untermauern, die durch keine anderen Beweise überzeugend belegt werden konnte. Auch wenn die erfahrensten Reporter in Saigon stets skeptisch gegenüber Aussagen von Überläufern waren, die in Saigon präsentiert wurden, so gab es immer welche, die von der Idee fasziniert waren, echte Ex-Kommunisten zu interviewen. Als so einer wurde Le Xuan Chuyen präsentiert, der behauptete, ein Oberstleutnant in der vietnamesischen Volksarmee gewesen zu sein, bevor er im August 1966 überlief. Er wurde von Reportern der Washington Daily News und der Los Angeles Times interviewt, seine Aussagen wurden als Zeugnisse über kommunistische Planungen für ein Blutbad nach dem Krieg veröffentlicht. Chuyen behauptete, dass die „Blutschuld“ der Kommunisten etwa fünf Millionen Südvietnamesen umfasse, von denen etwa 500.000 tatsächlich umgebracht worden seien.48

Ein kurzer Blick auf Chuyens Werdegang erlaubt es, seine Aussage aus der richtigen Perspektive zu beurteilen. Schon bei seiner ersten Befragung zeigte dieser angebliche „Oberstleutnant“ (lieutenant colonel – eine Reihe von Interviewern bezweifelten diese Angabe über seinen militärischen Rang) einen bemerkenswerten Sinn für Opportunismus.49 Er verlor keine Zeit und lobte Thieu und Ky als Führer, die „mutig, patriotisch und strikt nationalistisch“ seien und gab seinem Wunsch Ausdruck, für die Amerikaner oder die Saigoner Regierung arbeiten zu wollen – ohne dazu befragt worden zu sein.50 Nach wenigen Monaten wurde Chuyen zum Direktor des regierungsamtlichen Chieu Hoi-Zentrums51 für Saigon ernannt – eine Position, die an keiner Stelle seiner veröffentlichten Berichte über die behauptete Politik der Kommunisten erwähnt wurde.52

Ein zweiter angeblich ranghoher kommunistischer Überläufer, Hauptmann Tram Van Dac, war bald Berater des Direktoriums für politische Kriegsführung bei der ARVN und somit kaum ein neutraler Zeuge.53 Sein Statement von 1969, es stünden drei Millionen Opfer auf der „Blutbad“-Liste wird immer noch von Apologeten der US-Administration als Beweis anerkannt, allen voran von Sir Robert Thompson und Douglas Pike.54

Füttere sie mit einer Zahl …

Das Meisterstück von Pikes Mission war es, die offizielle „Schätzung“ von 4.756 getöteten Zivilisten durch die FLN in und um Hue in die Welt zu setzen. Das war wirklich ein Kraftakt, denn um diese Zahl zu erreichen, musste Pike statistisch Tausende von Opfern der amerikanischen Luftangriffe auf Hue wegzaubern. Es ist nämlich eine unwiderlegbare Tatsache, dass amerikanische Granaten und Bomben und nicht kommunistische Morde für das größte Gemetzel in Hue verantwortlich waren. Das Blutbad und die Zerstörungen erschütterten sogar langjährige Parteigänger des antikommunistischen Kampfes. Robert Shaplen schrieb zu jener Zeit: „Nichts was ich während des koreanischen Krieges erlebt habe, oder auch im Vietnamkrieg bis jetzt, war so furchtbar, was die Zerstörungen und die Verzweiflung betraf, wie das, was ich in Hue gesehen habe.“55 Nachdem die kommunistische Besetzung Hues beendet war, beschrieb der Reporter Don Tate von der Scripps-Howard-Zeitungskette Bombenkrater mit einem Durchmesser von 40 Fuß und einer gestaffelten Tiefe von bis zu 20 Fuß in den Straßen um die Mauern der Zitadelle herum, in denen „Leichen zu fünft übereinandergestapelt lagen“.56 9.777 der insgesamt 17.134 Häuser der Stadt waren vollständig zerstört und weitere 3.169 wurden offiziell als „schwer beschädigt“ eingestuft. (In der übrigen Provinz Thua Thien waren weitere 8.000 Häuser mehr als zur Hälfte zerstört.57) Die erste südvietnamesische Schätzung der Anzahl der bei der blutigen Wiedereroberung getöteten Zivilisten betrug 3.776.58

Als die Spezialisten der ARVN ans Werk gingen, wurde diese Schätzung, die in einem Bericht vom März 1968 vom Amt für Sozialdienste und Flüchtlinge der Provinz veröffentlicht worden war, durch eine neue Zählung ersetzt, die 944 betrug, veröffentlicht in der Broschüre des 10. Bataillons für politische Kriegsführung.59 Und das war alles, was Douglas Pike brauchte, um diese Tausende von zivilen Toten in Opfer „kommunistischer Massaker“ zu verwandeln.

In einer Aufstellung, die er eine „Rekapitulation“ der Toten und Vermissten nannte, fängt Pike nicht damit an, dass er die Anzahl der Opfer den verschiedenen Ursachen zuordnet, sondern mit einer Zahl von 7.600 Opfern, von denen er behauptet, dies sei die „Gesamtzahl der zivilen Opfer der Schlacht von Hue nach der Einschätzung der Saigoner Regierung“60. Die wirkliche Einschätzung der zivilen Opfer aber, wiederum geliefert vom Amt für soziale Dienste, nannte nur 6.700 – und nicht 7.600 – und diese Zahl beruhte auf den Annahme von 3.776 Zivilisten, die während der Schlacht getötet worden waren.61 Anstatt die Zahlen des sozialen Dienstes zu übernehmen, ging Pike von der Zahl 994 des Bataillons für politische Kriegsführung aus. Er subtrahierte einfach diese Zahl sowie weitere 1.900 Verwundete, die in Krankenhäusern lagen. Dabei kommt er auf die Zahl 4.756, die er als die Gesamtzahl der Opfer kommunistischer Massaker, einschließlich von 1.945 „unberücksichtigten“, präsentiert. Kurz zusammengefasst hatte diese statistische Rechenübung nur den Zweck, auf eine betrügerische Zahl von 4.756 Opfer eines „Massakers“ zu kommen.

Pike schreibt die Geschichte der FLN um

Douglas Pikes hatte den Anspruch, mit seiner Analyse der FLN-Politik in Hue eine „Hypothese“ zu bieten. Das Wesentliche dieser Hypothese besteht in der Unterscheidung zwischen drei unterschiedlichen Phasen der Besatzung: In den ersten wenigen Tagen sei die FLN davon ausgegangen, dass sie die Stadt nur kurze Zeit kontrollieren würde, und ihr Ziel war nicht, eine eigene Regierung einzurichten, sondern die administrativen Strukturen der Saigoner Administration zu zerstören. In dieser Periode hätten die FLN-Kader anhand von schwarzen Listen nicht nur zivile Beamte und Militärs, sondern auch religiöse und soziale Führer exekutiert. Dann, nach drei oder vier Tagen, hätten die kommunistischen Führer eingesehen, dass sie die Stadt auf Dauer nicht würden halten können und eine „Periode des sozialen Wiederaufbaus“ gestartet, so Pike. Dabei versuchten sie, alle zu töten, die nicht zur proletarischen Ideologie und Klasse gehörten, vor allem Buddhisten, Katholiken und Intellektuelle. Schließlich, als sie sich darauf einstellen mussten, die Stadt zu verlassen, hätten sie alle getötet, die ihre Kader in der Stadt identifizieren hätten können.62

Pike verweist vage auf verschiedene Beweisstücke, von denen er behauptet, sie würden diese Hypothese stützen, veröffentlicht aber keines von ihnen in seinem Bericht. Demgegenüber widersprechen alle derzeit verfügbaren Dokumente seiner „Hypothese“ von Anfang bis Ende. Zunächst geht aus gefundenen FLN-Dokumenten hervor, dass die Befreiungsfront nicht nur die Absicht hatte, die Saigoner Administration zu zerstören sondern auch eine revolutionäre Regierung in Hue aufzubauen, und dass man plante, die Stadt so lange wie möglich zu halten. Tatsächlich ließ auch das einzige Dokument, das Pike als Beweismittel für das kommunistische Eingeständnis heranzog, für Massenmorde an Zivilisten verantwortlich zu sein, nur erkennen, dass die Befreiungskräfte die „Mission hatten, Hue so lange wie möglich besetzt zu halten, so dass eine revolutionäre Administration aufgebaut werden konnte.“63

Was die „schwarzen Listen“ angeht, so wird Pikes These, dass die Liste sehr umfangreich gewesen sei und auch niedrigere Dienstgrade und Personen außerhalb der Regierung enthalten habe, sogar von dem Chef der Hueer Geheimpolizei, Le Ngan, dessen Name auch auf der Liste stand, widersprochen. Im Jahre 1968 erzählte Le Ngan kurz nach der Wiedereroberung der Stadt dem Mitarbeiter des früheren Internationalen Freiwilligen-Dienstes Len Ackland, der schon vor der Offensive in Hue gearbeitet hatte, dass die einzigen Namen, die auf der schwarzen Liste für den Distrikt Gia Hoi standen, diejenigen der Offiziere des Geheimdienst-Polizeiapparates gewesen seien.64

Andere Listen waren erstellt worden, um diejenigen zu erfassen, die nicht für eine Exekution, sondern entweder für die Verhaftung oder für die Verbringung in Umerziehungslager bestimmt waren. Bei denjenigen, die verhaftet werden sollten – und nicht automatisch exekutiert, so ein Dokument mit dem Titel „Plan für eine Offensive und einen allgemeinen Aufstand in Mui A“, das ich im Juni 1971 vom US-Verbindungsbüro für öffentliche Angelegenheiten erhielt – handelte es sich um relativ wenige vietnamesische und amerikanische Beamte.65 In dem Dokument ist zu lesen: „Was den Provinzchef, seinen Stellvertreter, Beamte vom Major an aufwärts, Amerikanische Geheimdienstbeamte und Dienststellenleiter angeht, so wurden einige von ihnen um 12 Uhr verhaftet. Sie sollen schnell die anderen überzeugen, sich nicht zu verstecken, sondern sich zu ergeben … und dann müssen wir sie aus der Stadt hinausbringen.“ Sie sollten nach diesem Plan in Gefängnissen außerhalb der Stadt untergebracht werden, bis ihre Akten ausgewertet worden waren und ihr jeweils persönlicher Fall eingeschätzt werden konnte. Es wird betont, dass keiner dieser höheren US- oder vietnamesischen Beamten in Hue getötet werden dürfe, außer wenn die Kämpfe in den ersten Stunden nicht erfolgreich sein würden und es deshalb unmöglich sein würde, sie aus der Stadt zu bringen – ein Fall, der offenbar nicht eintrat.

Das Dokument stellte weiterhin kleinere Beamte frei von Inhaftierung oder Vergeltungsmaßnahmen: „Was diejenigen angeht, die niedrigere zivile Dienste verrichten und für den Feind arbeiteten, um ihr Leben zu finanzieren, und die sich nicht der Revolution widersetzen, so erzieht sie und gebt ihnen schnell Verantwortung, so dass sie weiter arbeiten für die Revolution.“

Es gab eine dritte Kategorie von Privatpersonen, diejenigen, die weder hochrangige Beamte noch normale Angestellte waren, sondern einfache Beamte oder Angestellte, die von Zeit zu Zeit aktiv in den paramilitärischen Apparat der Regierung eingebunden waren. Diese Personen sollten keine Jobs erhalten, und alles spricht dafür, dass sie eher „umerzogen“ und nicht hingerichtet wurden, jedenfalls solange die FLN die Stadt unter Kontrolle hatte. Sie wurden in den ersten Tagen der Besetzung aufgefordert, sich beim lokalen Komitee zu melden, konnten dann aber nach Hause gehen.66

Das heißt nicht, dass es während der ersten Zeit der Besetzung keine Exekutionen gegeben hätte. Len Ackland67 und der Washington Post-Korrespondent Don Oberdorfer haben einzelne Fälle dokumentiert, in denen Personen hingerichtet wurden, wenn sie sich vor der Befreiungsfront zu verstecken versuchten oder aktiven Widerstand leisteten.68 Aber diese harten Maßnahmen, die in manchen Fällen eine Folge individueller Aktionen einzelner Soldaten oder Kader waren und nicht eine politische Entscheidung des FLN (wie wenn eine Person sich der Verhaftung widersetzte), unterscheiden sich von massenhaften Racheakten an offiziellen Beamten oder politisch Andersdenkenden, wie sie Douglas Pike unterstellt. Und die Interviews von Ackland belegen, dass solche Fälle relativ selten waren.

Priester und Intellektuelle, die sich selbst umbrachten

Pikes Argument, es habe eine Periode des „sozialen Wiederaufbaus“ gegeben, der geprägt gewesen sei durch die Verfolgung religiöser Führer und Intellektueller, wird nicht nur durch die Logik der politischen Strategie der FLN, sondern auch durch dokumentarische Beweise widerlegt. Wie Pike in seinem Buch „Krieg, Frieden und der Vietkong“ selbst betont, sollte eine Reihe von Führern der Widerstandsbewegung gegen die Ky-Regierung der Revolutionären Regierung von Hue angehören – genauer gesagt jene buddhistischen und intellektuellen Führer, von denen er später behauptete, die Führer der FLN hätten sie im Jahre 1968 systematisch eliminiert.69 Das waren keine proletarischen Revolutionäre, die darauf aus waren, sich an der buddhistischen Hierarchie und der gebildeten Elite zu rächen, wie Pike unterstellt, sondern sie waren Repräsentanten von Gruppen in Hue, die aktiv Widerstand gegen das Thieu-Regime und die amerikanische Okkupation geleistet hatten.70 Es war ja genau diese Schicht, auf der die FLN ihre Strategie der breitesten Einheitsfront in Hue begründete.

So war der Vorsitzende des revolutionäre Komitees in Hue Le Van Hao, der bekannte Ethnologe der Universität von Hue, der zuvor innerhalb dieser Bewegung das Buch „Vietnam, Vietnam“ veröffentlicht hatte.71 Einer der Vize-Vorsitzenden war der ranghöchste buddhistische Mönch von Zentralvietnam, Thich Don Hau. Andere Führer aus der 1966er Bewegung, die dem revolutionären Komitee beitraten waren, Hoang Phu Ngoc Thong, vormals Lehrer am Quoc Hoc-Gymnasium, der zum Generalsekretär des neuen Komitees gewählt wurde, Nguyen Dac Xuan, der von der 1966er Bewegung in Hue beauftragt worden war, „studentische Kommandos“ in Da Nang zu organisieren, und Ton That Duong Ky, ein Professor der Universität von Hue.

Zu diesen Veteranen des buddhistischen Protests von 1966 kamen andere wohlbekannte Personen aus Bildungsinstitutionen in Hue und traten der revolutionären Regierung bei, so etwa Frau Nguyen Dinh Chi, früher Rektorin der angesehenen Dong-Khanh-Mädchenschule, Ton That Duong Thien, Lehrer am Nguyen-Du-Gymnasium, der Operationen im Distrikt Gia Hoi leitete. Noch viele weitere Personen aus der Bildungselite von Hue übernahmen Verantwortung in der revolutionären Administration. 72

Der „Plan zur Offensive“ bestätigt auch, dass die politische Strategie der Befreiungsfront vorsah, sich um die Unterstützung des buddhistischen Klerus und der Buddhisten zu bemühen. In einem Abschnitt, der speziell den religiösen Gruppen gewidmet ist, liest man in dem Dokument: „Wir müssen mit allen Mitteln darum kämpfen, die Einheit mit den buddhistischen Mönchen und Nonnen zu gewinnen und sie zu überzeugen.“

Was die Katholiken von Hue anbelangt, beweisen die kommunistischen Dokumente ebenso wie Augenzeugenberichte, dass die Politik der FLN nicht gegen die katholische Kirche gerichtet war. Der erbeutete „Plan zur Offensive“ erwähnt „isolierte Reaktionäre, die in Phu Cam die Katholiken ausbeuten.“ In der vietnamesischen kommunistischen Terminologie bedeutet „Isolierung“ die Trennung eines Individuums von den gemeinschaftlichen Aufgaben. Es meint nicht Exekution oder auch nur Gefangennahme, im Gegensatz zu dem, was die amerikanischen Spezialisten der politischen Kriegsführung behaupten.

Das Dokument führt aus, dass nur diejenigen Priester, die dabei ertappt wurden, dass sie „Feinde versteckten“ irgendeine Form der Bestrafung zu fürchten hatten, und welche das war, hing vom Grad ab, in dem die Person in der Vergangenheit gegen die Revolution aktiv geworden war.

Im Distrikt von Gia Hoi, den die FLN 26 Tage lang kontrollierte, sagte ein Priester zu Len Ackland, keines seiner Gemeindemitglieder sei von der Befreiungsfront belästigt worden.73 Die einzigen beiden Katholiken, von denen das Saigoner Regime behauptete, sie seien getötet worden, waren zwei Benediktinermönche, Vater Guy und Vater Urbain. Aus Quellen des Thien-An-Klosters wurde allerdings bekannt, dass, als Befreiungstruppen das Kloster einige Tage lang besetzten, Vater Guy und Vater Urbain noch dort gewesen seien. Und in der Zeit seien weder sie noch die anderen Priester verletzt worden. Nach Angaben von AFP sind die beiden Patres vor schweren Bombenangriffen auf das Kloster am 25. Februar geflohen – zwei Tage nachdem die Befreiungstruppen verschwunden waren.74 Der Ort, an dem ihre Leichen gefunden wurden, lag in der Gegend, auf die nach Angaben von Dorfbewohnern Dr. Vennema gegenüber zu der Zeit, als die beiden Priester umgekommen sind, schwere Bombenangriffe erfolgten.75

Weiterhin ist der offizielle Bericht der Saigoner Regierung durch einen deutlichen Widerspruch entkräftet. Die Broschüre des Bataillons für politische Kriegsführung behauptet, dass sowohl Vater Urbain als auch Vater Guy verhaftet und gezwungen worden seien, ihre Kutte auszuziehen, ehe sie in die Gegend der Dong Khanh-Gräber gebracht wurden, wo sie angeblich getötet und begraben worden seien. Aber der Priester, der den Körper von Vater Urbain wiedergefunden hat, wird in derselben Broschüre mit der Aussage zitiert, er habe ihn an der Nummer der Wäscherei erkannt, die noch an seiner Kutte befestigt gewesen sei!76

Douglas Pikes Vorstellung von einem Plan der FLN, die vietnamesische Gesellschaft durch Massenexekutionen zu reinigen, ist so bizarr und so weit von der Realität der FLN-Politik entfernt, dass sie mehr über den eigenen Geisteszustand ihres Verfassers aussagt als über die Bewegung, die er zu beschreiben behauptet. Ebenso scheint seine Vermutung, die Befreiungsfront wollten jeden eliminieren, der die Identität früherer Untergrund-Kader in Hue kannte, eher auf seiner eigenen Vorstellung darüber zu beruhen, wie die Mafia vorgeht und nicht auf irgendeinem Verständnis dafür, wie die Befreiungsfront vorgeht. Natürlich konnten Kader, deren Namen überall bekannt geworden waren, nicht in der Stadt bleiben, als die FLN sich zurückzog. Andere, die sich auch während der Besetzung nicht offenbarten, blieben zweifelsohne zurück.77

Es ist offensichtlich, dass Pike keinerlei Anstrengungen unternahm, ernsthaft zu untersuchen, was tatsächlich passiert ist in der späteren Periode der kommunistischen Besetzung. Saigoner Regierungsvertreter in Hue sagten Len Ackland im Jahre 1968, dass diejenigen, die von der FLN zu dem Zeitpunkt getötet worden seien, als die Befreiungsfront sich darauf vorbereitete, angesichts des militärischen Drucks seitens der USA und Südvietnams die Stadt zu verlassen, vor allem Beamte und Führer antikommunistischer Parteien gewesen seien, die zuvor auf den Listen für eine Umerziehung gestanden hatten. In dieser Zeit stand die FLN vor der Wahl, entweder diese Personen zurückzulassen, die dann ihren Kampf gegen sie fortsetzen würden, oder sie zu eliminieren, solange die Stadt noch unter ihrer Kontrolle war, das heißt, sie in Umerziehungslager außerhalb der Stadt zu bringen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass einige von denjenigen, die zuvor für eine Umerziehung vorgesehen waren, in dieser letzten Phase der Besatzung exekutiert worden sind. Jedoch scheint deren Zahl um ein Vielfaches kleiner zu sein als die Saigoner Regierung und Pike behaupten. Andere, die in ähnlicher Situation waren, wurden tatsächlich aus der Stadt in die Bergregion gebracht zur Umerziehung. Die Beschuldigung, diese Gefangenen seien systematisch getötet worden ist weder logisch noch bewiesen.

Pikes „Hypothese“ muss also als ernsthaft nicht diskutabel eingestuft werden. Sie besteht aus Spekulationen, die auf falschen Informationen beruhen, und wurde nicht mit den vorhandenen Dokumenten abgeglichen, noch weniger mit den Informationen über revolutionäre Taktik und Strategie, für die ein Experte zu sein Pike für sich in Anspruch nimmt,. Demgegenüber muss diese Broschüre von Pike als ein wirksames Mittel in der politischen Kriegsführung angesehen werden. Seine Interpretation der Ereignisse in Hue blieb die dominante für Journalisten und öffentliche Personen.

Schlussfolgerungen

Die Bewertung, die Historiker bei der Einschätzung der Besetzung von Hue vornehmen müssen, betrifft nicht die Frage, ob Exekutionen stattgefunden haben, sondern ob diese wahllos und willkürlich waren oder die Durchführung einer vorher festgelegten Politik der „Säuberung“ einer ganzen Schicht der Bevölkerung, wie die Spezialisten der politischen Kriegsführung der Saigoner und der US-Regierung behaupten. Ebenso wichtig ist die Frage, ob es die Befreiungsfront oder die Bomben- und Artillerieangriffe waren, die den Tod von mehreren Tausend Zivilisten in Hue während der Schlacht um die Stadt verursacht haben.

Die derzeit verfügbare Beweislage – und zwar nicht aus Quellen der FLN, sondern aus offiziellen amerikanischen und Saigoner Dokumenten – lässt erkennen, dass die offizielle These eines willkürlichen Hinschlachtens von solchen Menschen, die als der Befreiungsfront feindlich gesinnte erachtet wurden, eine komplette Erfindung ist. Nicht nur sind die angegebenen Zahlen von entdeckten Leichen in und um Hue fragwürdig, wichtiger ist, dass die Ursachen ihres Sterbens von den Kämpfen in nicht vertretbarem Ausmaß auf die FLN-Exekutionen verschoben wurden. Und die detaillierteste und „maßgebliche“ Berechnung der angeblichen Exekutionen, die von den Regierungen in Washington und Saigon vorgenommen wurde, hält keiner näheren Überprüfung stand.

Die Kenntnisse über die Techniken der Verfälschung, die von Saigon und den US-Propagandisten benutzt wurden, um aus der Tragödie von Hue eine Kampagne des politischen Krieges zu machen, ist heute noch so aktuell wie zu der Zeit, als die US-Truppen noch in Vietnam waren. Es hat mit dem Kern des Problems zu tun, die Wahrheit über die vietnamesische Revolution und den amerikanischen Versuch, sie durch Gewalt zu unterdrücken, ernsthaft zu erkunden. Der Schleier der Verfälschung, der über die Tet-Offensive gelegt worden ist, war und ist nur ein weiterer Verteidigungsmechanismus der US-Regierung und eines großen Teils der amerikanischen Öffentlichkeit mit dem Zweck, einen ernsthaften und ehrlichen Umgang mit der Wahrheit über den eigentlichen Charakter dieses Kampfes zu verhindern

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Anmerkungen

1 1974 Red. Fußnoten vom Autor, außer den mit dem Zusatz „Red.“ gekennzeichneten.
2 Zur Vorgeschichte dieser Strategie siehe D. Gareth Porter: Bloodbath: Myth or Reality, in Indochina Chronicle Nr. 19, 15 September 1973.
3 Dies bestätigt eine Internet-Recherche, nach der es mehrere solcher Bataillone gab, die man getrost als Propagandaeinheiten bezeichnen kann. Red.
4 Joseph Dees: Survivors Relate Communist Mass Murders of 1,000 in Hue, IPS (USIS) dis­patch, 23.04.1968.
5 New York Times 01.05. 1968; Washington Post 01.05.1968
6 Vietnam Press 01.05.1968 Die UPI-Meldung über den Bericht gab an, er beruhe ausschließlich auf Informationen der Polizei, erwähnt jedoch nicht die Rolle des Bataillons für Politische Kriegsführung. Washington Post, 01.05.1968. Die New York Times gab überhaupt keine Quelle für ihre Informationen an. Man kann also sagen, dass kein amerikanischer Zeitungsleser erfahren konnte, dass das 10. Bataillon der ARVN die Hauptrolle spielte bei der Erstellung des Berichts.
7 New York Times, 29.02.1968.
8 Le Monde, 13.04.1968.
9 „Chronology of Graves Discovered, Vicinity of Hue (Civilian Deaths in Tet 1968),“ erstellt vom Pentagon und unveröffentlicht, eine Kopie wurde mir übergeben vom Office of the Assistant Secretary of De­fense for Public Affairs, Februar 1970.
10 New York Times, 28.03.1968.
11 „Chronology ...“
12 New York Times, 28.03.1968.
13 Vu Cuong Sat cua Viet Cong tai Co Do Hue (Communist Murder in Hue), 10. Bataillon für Politische Kreigsführung der ARVN, 1968, p. 13.
14 Alje Vennema: The Tragedy of Hue, unveröffentlichtes Manuskript 1968, pp. 19-23. [Siehe die Analyse n diesem Heft. Red.]
15 „Chronology ...“ site 22.
16 „Villagers Returning to Hue,“ UPI, in San Francisco Chronicle, 08.12.1968; „South Vietnamese Farmer Stoically Works Fields“, Washington Post, 04.01.1970.
17 „Chronology ...“ sites 21, 13 and 14.
18 Tien Tuyen, 27.01.1969.
19 Tien Tuyen, 03.05.1969.
20 Ebda.
21 Vietnam Press, 12.04.1969.
22 Washington Post, 05.05.1969.
23 „Chronology ...“ site 25.
24 Douglas Pike, The Viet-Cong Strategy of Terror (Saigon: U.S. Mission, Vietnam, 1970), p. 29.
25 Baltimore Sun, 12.10.1969.
26 Tien Tuyen, 17.10.1969.
27 Pike, op. cit., pp. 28-29.
28 „Chronology ....“
29 Embassy of Viet-Nam, Washington, D.C., Vietnam Bulletin, Viet-Nam Information Series, No. 28.04.1970.
30 Agence France-Presse dispatch, 15.02.1968, in L'Heure Décisive (Paris: Dossiers AFP-Laffont, 1968), p. 153.
31 Ebda.
32 Vietnam Bulletin, a.a.O.
33 Geboren 1924, Historiker mit Spezialgebiet Vietnamkrieg und Vietcong. Arbeitete die längste Zeit seines Lebens für das Pentagon und verschiedene Geheimdienste. Gestorben 2002. Red.
34 So hat es Douglas Pike selbst dargestellt in einem Interview mit Benedict Stavis von der Cornell University am 25.10,1973. Brief von Stavis an den Autor, datiert vom 10.09.1973.
35 Dessen genauer Text nie veröffentlicht wurde. Red.
36 „Reds Killed 2,900 in Hue during Tet, according to Seized Enemy Document“, Washington Post, 25.11.1969.
37 „Communists Admit Murder“, Christian Science Monitor, 01.12.1969.
38 Tien Chien Thang Hue tu Ngay 31.1, 23.3 (Information on the Victory in Hue from January 31to March 23). Als Xerox-Kopie erhalten vom Combined Documents Exploitation Center, Saigon. Es muss darauf hingewiesen werden, dass dieses Dokument keineswegs ein Bericht oder eine Analyse der Tet-Offensive von führenden Dienststellen in Hue ist. Es ist in Handschrift verfasst, bruchstückhaft und offensichtlich auf lokaler Ebene für den lokalen Gebrauch entstanden.
39 Saigons Red.
40 Nhan Dan, 12.02.1968
41 Tu Dien Tieng Viet (Vietnamese Language Dictionary) Hanoi: Nha Xuat Ban Khoa Hoc, 1967, p, 927.
42 Wofür allerdings vieles spricht. Red.
43 Los Angeles Times, 20.11.1969; Wash­ington Daily News, 25.11.1969.
44 Pike, op. cit., p. 16; vgl. die oben zitierten Zeitungsberichte
45 In dem Abschnitt unmittelbar vor Pikes Erwähnung dieses Dokumente ist die Rede davon, eine ganze Schicht von Dorfbewohnern sei „weggewischt“ worden („wiped out“). op. cit.
46 „15 Tieu Chuan Cuu Tap“ (Fifteen Criteria for Investigation), Xerox-Kopie, ausgehändigt von der US-Botschaft in Saigon. Das Dokument wurde nachgedruckt in den Viet-Nam Documents and Research Notes, Document No. 97,1, August 1971, Part II.
47 „Repressing Counterrevolutionaries: The Viet Cong System of Punishment“, Viet-Nam Documents and Research Notes, Document Np. 5, Oktober 1967.
48 Washington Daily News, 25.11.1969. Chuyen sprach von drei Millionen in der Los Angeles Times 20.11.1969
49 In dem Bericht über das Verhör von Chuyen hatte der ARVN-Befrager deutlich sichtbare Fragezeichen hinter den Aussage Chuyens über seinen angeblichen Rang und seine früheren Aufgaben in der Volksarmee gesetzt. U.S. State Department, Captur­ed Documents and Interrogation Reports (1968), Item no. 55, „Interrogation of Le Xuan Chuyen.“
50 Ebda.
51 Chieu Hoi („Offene Arme“) Südvietnamesische Institution mit der Aufgabe, Befreiungskämpfer zur Desertion zu überreden. Red.
52 Speech by Tran Van Do, Troi Nam, No. 3, 1967, p. 13.
53 Vo Van Chan: The Policy of Greater Unity of the People (Saigon: Minister of Chieu Hoi, Repub­lic of Vietnam, 1971), p. 19.
54 See Pike, op. cit., p. 18; Sir Robert Thomp­son, "Communist Atrocities In Vietnam" New York Times, 15.06.1972.
55 "Letter from Vietnam," The New Yorker, 23.03.1968.
56 Washington Daily News, 01.03.1968.
57 "Status of Refugees," official report by Office of Refugees, U.S. Agency for International Development, 02.05.1968.
58 Saigon Post, 17.03.1968.
59 VC Carnage in Hue, 10th Political Warfare Battalion, 1968, p. 8.
60 Pike, op. cit., pp. 30-31.
61 Saigon Post, March 17.03.1968.
62 Pike, op. cit., pp. 33-39.
63 „Information on the Victory in Hue“
64 Len Ackland und D. Gareth Porter: „The Bloodbath Argument“ in Christian Century, 5.11.1969. nachgedruckt in Paul Menzel (Hrsg.): Moral Ar­gument and the War in Vietnam (Nashville: Aurora Publishers, 1971), pp. 141-46.
65 „Ban Ke Hoach Con Kich va Khoi Nghla cua Mul A“ (Plan für eine Offensive und einen allgemeinen Aufstand in Mui A), Xerox-Kopy erhalten vom Office of Spe­cial Projects, JUSPAO, Saigon, Juni 1971.
66 Len Ackland: „Resist and They Die“, unveröffentlichtes Manuskript, 1968, pp. 5-6.
67 Len Ackland, geb. 1944, war freier Journalist während des Vietnamkriegs, schrieb vor allem für die Chicago Tribune. Sein eigentliches späteres Hauptthema waren Atomwaffen. Red.
68 Ibid., pp. 15-19; Washington Post, 07.12.1969 und Don Oberdorfer: Tet, New York: (Avon Books), 1971), pp. 216-53.
69 Douglas Pike: War, Peace and the Viet Cong, Cam­bridge: (MIT Press), 1969).
70 siehe den Artikel über Alje Vennema in diesem Heft. Red.
71 und ein bekannter Forscher über die Kultur der Cham-Minderheit ist. Red.
72 Ackland, op. cit., p, 8; Christian Science Monitor, May 08.05.1968; Vennema, op. cit., p. 1,0; Notizen von Interviews in Hue von Francois Sully, Newsweek, März 1968
73 Ackland und Porter, op. cit., p. 145.
74 Agence France-Presse dispatch, March 3, In Vietnam Press Special Reports, 05.03.1968.
75 Vennema, op. cit., p. 26.
76 Vu Cuong Sat cua Viet Cong tai Co Do Hue, pp. 2, 18-21.
77 Die chinesischen Kommunisten sahen sich im Jahre 1947 einer ähnlichen Situation gegenüber, als sie eine Kreisstadt besetzten und ihre Schattenregierung und deren Beamte zum ersten Mal auftauchten. David Galula berichtet, er habe den politischen Kommissar gefragt, was geschehen würde, wenn die Rote Armee die Stadt wieder verlassen müsste. „Sie würden auch weggehen und ihre Untergrundtätigkeit wieder aufnehmen“, antwortete der. „Haben Sie keine Angst, dass sie damit ihren Wert verlieren würden, da sie nun erkannt sind?“ fragte Galula. Der Kommissar antwortete: „Wir haben geheime Agenten in dieser Stadt, die nicht entlarvt worden sind, als wir sie eroberten. Wir wissen selber nicht wer sie sind. Und sie werden hierbleiben, wenn wir gehen.“ David Galula: Counterinsurgency Warfare. Theory and Practice, New York: (Praeger), 1964, pp. 56-57.

Quelle:
D. Gareth Porter: The 1968 „Hue Massacre“,
Indochina Chronicle Nr. 33, 1974, S. 2-13.
abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis des Autors
übersetzt von Günter Giesenfeld.

D. Gareth Porter, geb. 1942, Historiker und in Vietnam 1970-71 stationierter Journalist, Mitglied der US-Antikriegsbewegung. Schrieb zuletzt 2005 ein Buch: „Perils of Dominance: Imbalance of Power and the Road to War in Vietnam“. Porter hat nach 1975 eine kurze Zeit lang die Politik der Roten Khmer in Kambodscha verteidigt, wie viele mit ihm, so etwa der schwedische Schriftsteller Jan Myrdal. Im Gegensatz zu letzterem hat Poter später seinen Irrtum eingesehen, „auf ihre Propaganda hereingefallen zu sein“,

Seine engagierte Intervention zu den Hue-Massakern von 1974 hat ihm scharfe Kritik eingetragen. Man warf ihm politisch begründete Parteinahme für die „Kommunisten“ vor und sprach ihm jegliche wissenschaftliche Seriosität ab. Demgegenüber ist zunächst festzustellen, dass sein Aufsatz Eingang gefunden hat in die hochoffiziellen „US Congressional Records“.

Vor allem wurde ihm angekreidet, dass er ausschließlich unkritisch die Hanoier Version übernehme, was leicht widerlegbar ist, wenn man in seinem Text auch nur die Fußnoten liest. Wo sollte er auch diese „kommunistischen“ Interpretationen herhaben, außer von den erbeuteten Dokumenten, deren verfälschende Deutung durch die offiziellen Autoren Porter kritisiert.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Feststellung, die ein Licht auf die Zuverlässigkeit von Internet-Recherchen wirft: In dem sehr langen und ausführlichen Artikel zum Thema „Hue-Massacre“ der US-amerikanischen Wikipedia (12 Druckseiten) gibt es nicht nur Hunderte von Fußnoten mit Literaturhinweisen, sondern auch eine 22 Titel aufzählende Bibliographie. Weder im Text noch in dieser Liste ist Porter auch nur erwähnt, auch nicht in dem kurzen Kapitel über „Dispute and Denial“. Der Artikel zum Thema „Hue-Massaker“ in der deutschen Wikipedia ist nur eine halbe Seite lang, enthält sieben Zeilen Text und drei Literaturhinweise: unter ihnen Gareth Porters Artikel!

Totgeschwiegen und sehr polemisch verunglimpft – das ist das Schicksal des Artikels und seines Autors ansonsten. Dies soll durch nur ein Beispiel belegt werden:

Ein „Charles Bird“ hat am 20. Januar 2006 einen 15-seitigen Blog mit dem Titel „Know Hue?“ ins Netz gestellt, in dem er schreibt: „Ich möchte nicht zu viel Zeit verschwenden für eine Person78 mit einer langen Liste von historischen Schriften, die eher in eine Star Treck-Welt passen würden79, aber auf einige Punkte hinweisen.

Mein erster Punkt ist Porters Hinweis auf die Rolle der Propaganda-Einheit der südvietnamesischen Armee, des „Zehnten Bataillons für politische Kriegsführung“. Eine Google-Suche mit diesem Ausdruck erweist, dass der Ausdruck von Porter selbst stammt. Was hat es mit diesem Bataillon auf sich und was mit den ersten neun?“80

Damit wird der Vorwurf formuliert, Porter habe das Bataillon für politische Kriegsführung frei erfunden. Das wäre in der Tat ein schwerer Vorwurf.

Begründet wird er mit einer Google-Abfrage. Nun ist nicht alles, was man bei Google findet, die absolute und vollständige Wahrheit. Der Beleg: Ich konnte bei einer neuerlichen Suche den angegebenen Hinweis auf Porter nicht finden. Vielleicht wurde er gelöscht, weil man erkannt hatte, dass er nicht zutraf. Dafür gibt es bei Google heute zahlreiche Funde zu „Political warfare Battalion“, so zum Beispiel ein Zitat aus einem Buch von Nguyen Cong Luan, in dem es heißt:

„Nguyen Thi Nguyet war eine Soldatin, die in der Versorgungseinheit des Zehnten Bataillons für politische Kriegsführung diente. Das war eines der fünf Polwar81-Bataillone, die den vier Militärregionen zugeordnet waren plus eines für allgemeine Zuarbeit.“82

In einem anderen Buch heißt es, direkt auf die „Massaker“ von Hue bezogen:

„... die Quelle von allen offiziellen Berichten des Massakers, die in der amerikanischen Presse in den meisten Zeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden, war das Zehnte Bataillon für politische Kriegsführung der südvietnamesischen Armee, einer Einheit, deren Aufgabe es war, Propaganda herzustellen, die die Kommunisten diskreditieren sollte. Deshalb war das Bataillon kaum eine unvoreingenommene oder verlässliche Quelle.“83

Und ein dieser Art von Kriegsführung in Vietnam ausschließlich und ausführlich gewidmetes Buch ist: Jeffrey J Case: Advice and Support. The final Years 1965-1973, Band 3. Center of Military History, United States Army, 1988.

Google wartet auch mit einem endgültigen Nachweis für die Existenz des Bataillons auf, einem Kaufangebot mit Abbildung: Hier kann man einen Aufnäher für die Uniform-Schulterklappe erwerben mit dem Logo des „South Vietnamese Army Political Warfare Battalion“. Er kostet (aus Textilmaterial, zum Selber-Annähen) 30 Dollar.

Anmerkungen:
78 Gemeint ist Gareth Porter.
79 „Spock-with-a-beard alternative universe“
80 Auf die Website Obsidian Wings, die mit dem Slogan wirbt: This is the voice of moderation, was angesichts des hier zitierten Beitrags wenig glaubwürdig klingt: http://obsidianwings.blogs.com/obsidian_wings/2006/01/know_hue.html. [Ich halte auch einen Internet-Blog nicht für eine allzu seriöse Quelle. Dieser jedoch hat den Vorteil, dass er die verschiedenen Vorwürfe und Verleumdungen gegen Porter zusammenfassend und zugespitzt formuliert. Übrigens hat der Blog eine interessante Diskussion generiert. gg]
81 Polwar = political warfare: „der Gebrauch politischer Maßnahmen, um einem Opponenten seinen eigenen Willen aufzuzwingen, mit feindseliger Absicht. (Wikipedia).
82 Nguyen Cong Luan: Nationalist in the Viet Nam War: Memoirs of a Victim Turned Soldier Bloomington, Indiana University Press, 2012, S. 409.
83 Barry M. Kroll: Teaching Hearts and Minds. College Students Reflect on the Vietnam War Literature. Southern Illinois University Press, Carbondale and Edwardsville 1992, S. 95

veröffentlicht im Vietnam Kurier 3-4/2015

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